1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Denkzettel für Kroatiens Koalitionsregierung

Bettina Burkart24. November 2003

Sieger der Parlamentswahlen in Kroatien ist die von Ivo Sanader geführte Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ). Das ist ein Denkzettel für die Regierung, meint Bettina Burkart in ihrem Kommentar.

https://p.dw.com/p/4Mk8

Nun wird es vielleicht doch einen Regierungswechsel in Kroatiengeben, auch wenn die neue Mannschaft noch nicht steht. Ob es auch ein starker Richtungswechsel wird, muss sich erst weisen. Denn nun wird sich zeigen, wie genau es Ivo Sanader, der jetzt strahlende Sieger, mit seinen Bekenntnissen zum europäischen Weg des Landes nehmen wird.

Wer den Wahlkampf ein wenig aufmerksamer verfolgt hat, dem musste nämlich auffallen, dass die Diktion, die Sanader im Gespräch mitausländischen, sprich europäischen Partnern pflegte, sich von der vieler Wahlkampfveranstaltungen im Lande erheblich unterschied. Dort waren von vielen HDZ-Kandidaten die alten, nationalistisch geprägten Töne zu hören, dort wurden die Petitionen für den vom Haager Tribunal gesuchten General Gotovina ausgelegt und unterschrieben. Ob das Frau Merkel und Herrn Stoiber, die in kroatischen Radiospots mit Lobreden auf Sanader und seine HDZ dessen Wahlkampf unterstützt haben, klar oder egal war, muss sich der deutsche Beobachter fragen dürfen.

Was die Wähler in Scharen zur HDZ getrieben hat, lässt sich nur vermuten. Die ganz rechte Alternative hat sich vielen Wählern diesmal bei mehreren radikaleren Parteien geboten. Da diese auch einen Stimmzulauf zu verbuchen hatten, müssen viele Stimmen für die HDZ aus anderen Lagern gekommen sein. Und da kann man vermuten, dass manch ein Wähler seinem Unmut über die in vielem zögerliche Arbeit der Regierung Racan Luft gemacht hat. In Deutschland nennt man so etwas eine Denkzettelwahl und wenn es so ist, wäre dies ein Schritt auf dem Weg zu den so genannten Volksparteien, zu einer allmählichen Konsolidierung der Parteienlandschaft in Kroatien.

Eines aber ist ziemlich klar: einer neuen Regierung stellen sich jetzt die gleichen Aufgaben wie der alten. Wer Kroatien in den nächsten vier Jahren in eine bessere Zukunft führen will, muss einen Berg von Aufgaben erledigen. Denn die Lage im Lande sieht nicht gut aus - auch wenn es sich in Zagreb oder einigen größeren Städten für den Außenstehenden auf den ersten Blick anders darstellt. Die wirtschaftliche Lage ist schlecht, ausländische Investoren werden nach wie vor abgeschreckt durch undurchsichtige, unendlich langsame Bürokratie, einer Gerichtsbarkeit, die kein Vertrauen erweckt, nicht geklärten Besitzverhältnissen. Die Rückkehr der Flüchtlinge läuft äußerst schleppend.

Jede Regierung muss das nachholen, was in den letzten Jahren versäumt wurde: eine umfassende Entpolitisierung und Reformierung der Gerichtsbarkeit, in die die Menschen wieder Vertrauen entwickeln können; die dringend schon seit langem von IWF und Weltbankgeforderte Restrukturierung und Verkleinerung des bürokratischen Apparates, der nicht nur den Staatshaushalt im Würgegriff hält. Die Reform der Streitkräfte und des Polizeiapparates, die immerhin schon begonnen wurde, muss konsequent weitergeführt werden.

Das sind schmerzhafte Eingriffe, die zum Teil für die Bevölkerung zunächst als deutliche Verschlechterung ihrer Situation wahrgenommen wird. Aber ohne eine konsequente Umsetzung dieser und anderer EU-kompatibler Reformen wird die bereits so deutlich empfundene Nähe zur Europäischen Union ein Potemkinsches Dorf bleiben.

Nicht zuletzt die Jugend muss das Gefühl erhalten, dass es sichlohnt, im Lande zu bleiben. Es gibt durchaus viele, vor allem junge Menschen, die mit Ideenreichtum und Engagement daran arbeiten. Ihnen darf allerdings nicht der Eindruck vermittelt werden, die Zeitbleibe stehen oder drehe sich gar zurück. Nationalistische, isolationistische Politik oder hedonistische Machtkämpfe der immer wieder gleichen Mitspieler bieten da wenig Perspektive. Stattdessen sollte die von allen Seiten immer wieder beschworene Vaterlandsliebeschnell und konsequent in konkrete, politische Reformprozesse einfließen.

Kroatien hat derzeit - noch - Chancen, sein hochgestecktes Ziel eines schnellen EU-Beitrittes zu erreichen. Dazu müssen jetzt allerdings schnell die Ärmel hochgekrempelt werden.