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Der Übergangspräsident und der Armeechef

Sven Pöhle4. Juli 2013

Der Jurist Adli Mansur ist kurz nach dem Sturz von Präsident Mursi das neue Staatsoberhaupt Ägyptens. Der Machtfaktor im Land ist aber das Militär unter General Abdel Fattah al-Sisi.

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Adli Mansur bei der Vereidigung als Übergangspräsident Ägyptens (Foto: Reuters)
Übergangspräsident Adli MansourBild: Reuters

"Ich schwöre bei Gott, das Gesetz und die Verfassung zu achten und gerecht zu regieren." Keine 24 Stunden nach dem Sturz des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi legte Adli Mansur als Übergangspräsident den Amtseid ab.

Armeechef al-Sisi hatte am Mittwochabend (03.07.2013) in einer Fernsehansprache die Absetzung von Mohammed Mursi bekanntgegeben. Nach tagelangen Massenprotesten gegen Mursi hatte der General dem ersten frei gewählten Präsidenten Ägyptens zuvor ein 48-Stunden-Ultimatum gestellt, die Forderungen des Volkes zu erfüllen. Bis es Neuwahlen gibt, soll Mansur die Staatsgeschäfte gemeinsam mit einem Übergangsrat aus Fachleuten führen.

Konsenskandidat Mansur

"In der politischen Landschaft Ägyptens ist Mansur eine sehr unbekannte Persönlichkeit", sagt Christian Achrainer, Politologe bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Mansur stehe nun vor der Aufgabe, für eine begrenzte Zeit die Geschäfte zu übernehmen.

Gerade einmal zwei Tage hatte der 67-jährige Mansur, der seit 1992 am Obersten Verfassungsgericht tätig ist, den Posten als Präsident des Justizorgans inne. Mursi hatte den vormaligen Vizepräsidenten des Verfassungsgerichts zum Nachfolger Maher al-Behairis bestimmt, der Ende Juni in den Ruhestand ging. Laut einem Gesetz, das nach dem Sturz Husni Mubaraks erlassen worden ist, kann der Präsident den Posten am Obersten Verfassungsgericht nicht mehr mit externen Persönlichkeiten besetzen, sondern muss einen der drei am längsten amtierenden Vizepräsidenten dafür auswählen.

Bei den Auseinandersetzungen zwischen der Regierung Mursi und dem ägyptischen Gerichtswesen habe sich Mansur stark im Hintergrund gehalten, sagt Achrainer. Mursi hatte unter anderem Verfassungszusätze außer Kraft gesetzt und dem Verfassungsgericht die Kompetenz abgesprochen, über die Rechtmäßigkeit des von Islamisten dominierten Verfassungskomitees zu entscheiden. Das Oberste Verfassungsgericht hatte dem von Muslimbrüdern dominierten Oberhaus des Parlaments im Juni 2013 die Legitimität abgesprochen.

Ägyptischer Interimspräsident Adli Mansur nach seier Vereidigung in Kairo am 4. Juli 2013 (Foto: picture alliance/AP)
Ägyptens Übergangspräsident Adli MansurBild: picture-alliance/AP

Mansur sei aber auch durchaus an wichtigen Entscheidungen in der Zeit nach Mubarak beteiligt gewesen, sagt Achrainer: "Vor der letzten Präsidentschaftswahl war er eine der Personen, die dafür gekämpft haben, dass auch Vertreter des alten Regimes an den Wahlen teilnehmen dürfen." Dies würden ihm seine Kritiker ebenso vorwerfen wie seine lange juristische Tätigkeit unter Präsident Mubarak.

Junger Soldat der alten Militärgarde in Schlüsselrolle

Die Macht im Land hält aber nicht der Übergangspräsident in den Händen, sondern die Armee - wie bereits nach dem Putsch 1952 und nach dem Sturz Mubaraks 2011. "Ohne das Militär wäre Herr Mansur nicht Präsident geworden, es spielt die erste Geige", sagt Ronald Meinardus, Leiter des Regionalbüros Mittelmeerländer der Friedrich-Naumann-Stiftung in Kairo.

An der Spitze der Armee steht Abdel Fattah al-Sisi. Nach dem Sturz von Verteidigungsminister Mohammed Hussein Tantawi hatte Präsident Mursi im August 2012 al-Sisi zu dessen Nachfolger ernannt. Der General gilt als frommer Muslim. Gleichzeitig "ist er in der Tradition des Nasserismus sozialisiert worden", so Meinardus. "Das ägyptische Militär kommt aus dieser Tradition. Das Offizierkorps ist eigentlich säkular eingestellt." Der ehemalige Präsident Gamal Abdel Nasser galt als ein entschiedener Gegner der Muslimbruderschaft.

Mit 58 Jahren ist al-Sisi einer der jüngsten Generäle. In den Kriegen gegen Israel 1967 und 1973 hat er nicht gekämpft. Nach dem Sturz Mubaraks im Februar 2011 wurde er das jüngste Mitglied im herrschenden Obersten Militärrat und Chef des militärischen Nachrichtendienstes.

Ägyptischer Verteidigungsminister und Armeechef Abdel Fattah al-Sisi (Foto: picture alliance/AA)
Militärchef Abdel Fattah al-SisiBild: picture alliance/AA

Nach dem Rücktritt Mubaraks stand al-Sisi 2011 in der Kritik, als er sexuelle Übergriffe von Soldaten auf Ägypterinnen, sogenannte Jungfrauentests, öffentlich rechtfertigte. Nach internationaler Empörung revidierte al-Sisi seine Position und kündigte an, dass derartige "Untersuchungen" nicht weiter durchgeführt würden.

"Die Militärdiktatur nach der Beseitigung Mubaraks war eine wenig rühmliche Phase in der ägyptischen Geschichte", sagt Meinardus über die Zeit, in der Tantawi 17 Monate lang den Obersten Militärrat als höchste Autorität in Ägypten geleitet und dem Militär mit Sonderverfügungen weitgehende politische Befugnisse erteilt hatte.

Neue Verfassung, alte Interessen

Durch die Verständigung auf Adli Mansur als Übergangspräsident steht das Militär nach dem Sturz eines weiteren Staatsoberhaupts nicht an vorderster Front. Al-Sisi betonte gegenüber der Presse, dass das Militär "weit weg von der Politik bleiben werde".

Die unter Mursi verabschiedete islamisch geprägte Verfassung wurde inzwischen außer Kraft gesetzt. Ein Gremium soll eine neue Verfassung für das Land ausarbeiten, über die per Volksentscheid abgestimmt werden soll.

Im Hintergrund der Ereignisse stünden aber immer auch die Interessen des Militärs, sagt der Politologe Achrainer. "Das wirtschaftliche Imperium des Militärs darf nicht in Gefahr geraten und die Führung des Landes soll sich nicht in die Belange des Militärs einmischen." Unter Mursi habe das Militär diese Interessen bedroht gesehen und gehandelt.