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Der ahnungslose Kaiser

20. November 2015

Franz Beckenbauer bricht sein Schweigen: Er bestreitet einen Stimmenkauf für die Ausrichtung der WM 2006. Sonst gibt er sich im Interview unwissend und vage. Deutlich ist er dagegen in seiner Kritik an DFB-Akteuren.

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Deutschland Franz Beckenbauer
Bild: Reuters/M. Rehle

Franz Beckenbauer hat einen Stimmenkauf für die Ausrichtung der WM 2006 erneut vehement bestritten, sich in seiner ersten großen Stellungnahme im Zuge der WM-Affäre aber weitgehend ahnungslos gegeben. Der Vorwurf der Bestechung sei "falsch, wir haben doch gar kein Geld gehabt", sagte der 70-Jährige der Süddeutschen Zeitung (Wochenendausgabe): "Klar, wenn wir vor der Vergabe irgendwo hingefahren sind, nach Trinidad oder sonstwohin, dann war ja klar, dass wir dort nicht zum Kaffeetrinken sind, sondern weil wir die Stimme haben wollten. Wir haben auf den Wert unserer Bewerbung hingewiesen."

Im SZ-Gespräch nahm Beckenbauer ausgiebig Stellung, verlor sich aber zumeist in Allgemeinplätzen, "franzelte" über die heiklen Themen hinweg. So habe er den dubiosen Vertragsentwurf mit dem früheren FIFA-Vize Jack Warner vom 2. Juli 2000 blind unterzeichnet. "Ich habe immer blind unterschrieben, wenn sie meine Unterschrift gebraucht haben", sagte der damalige OK-Chef Beckenbauer: "Fragen Sie mal den Karl Hopfner über die 15 Jahre, in denen ich Präsident des FC Bayern war. Er war damals für das operative Geschäft zuständig. Sie werden doch nicht glauben, dass ich nur eine einzige Vereinbarung oder nur ein einziges Dokument gelesen habe. Sie glauben es nicht, aber das ist so! Wenn ich jemandem vertraue, unterschreibe ich alles. Blanko."

Nichts hinterfragt

Die Zahlung der ominösen zehn Millionen Schweizer Franken bzw. 6,7 Millionen Euro an die FIFA bestätigte Beckenbauer, gab sich aber bezüglich der genauen Hintergründe unwissend. Sein Berater und OK-Vize Fedor Radmann habe den Vertrag mit dem mittlerweile lebenslang gesperrten Katarer Mohamed bin Hammam, Mitglied der FIFA-Finanzkommission eingefädelt.

"Mit dem hatten wir auch die besten Kontakte. Fedor kam auf mich zurück und sagte, alles okay, ich habe mit bin Hammam gesprochen. Wir bekommen 250 Millionen Schweizer Franken. Aber wir müssen der Finanzkommission vorher zehn Millionen Franken zahlen", sagte Beckenbauer, der den Deal nicht hinterfragt haben will: "Ich hab' nur die 250 Millionen gesehen. Mir als minderem Kaufmann stellte sich damals nicht einmal die Frage."

Schuldschein: "Wird schon so gewesen sein"

Bei der Beschaffung des Geldes sei Beckenbauer beim DFB auf taube Ohren gestoßen: "Ich habe wegen der zehn Millionen mit MV geredet, Gerhard Mayer-Vorfelder, Brauns Nachfolger als Präsident. Der hat gleich abgewinkt: Das geht nicht, das machen wir nicht. Wir kennen ja den DFB." Über Beckenbauers Manager Robert Schwan sei dann der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus zum Geldgeber geworden, was Beckenbauer aber erst viel später erfahren haben will: "Das hat sich dann später so herausgestellt, etwa Ende 2004. Da wollte der Dreyfus sein Geld zurück."

Woher zuvor die fragliche Summe gekommen sein will, habe Beckenbauer zunächst nicht hinterfragt. Auch im Hinblick auf den von ihm unterzeichneten Schuldschein gab er sich ahnungslos: "Ich weiß bis heute nicht, dass ich einen Schuldschein unterschrieben habe. Aber wenn die behaupten, dass ein Schuldschein da war, dann wird es schon so gewesen sein. Ich weiß es wirklich nicht."

"Wir haben nicht danach gefragt"

Ebenso wenig kümmerte Beckenbauer demnach, ob die 6,7 Millionen Euro wirklich an die Finanzkommission geflossen sind. "Wir haben nie danach gefragt. Das war vielleicht ein Fehler. Aber was hätte das gebracht? Dann hätten die gesagt: Entwicklungsprojekte. Da gibt's ja genug", sagte Beckenbauer: "Wir wollten die WM organisieren, alles andere war mir wurscht. Ich habe nur die 250 Millionen gesehen. Damit war die WM gerettet."

In demselben Interview greift Beckenbauer die derzeitige Führungsspitze des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) scharf an. Den DFB-Interimspräsidenten Reinhard Rauball und Rainer Koch wirft Beckenbauer vor, sie hätten via Fernsehen ein von ihm angebotenes persönliches Gespräch über die Vorwürfe in Zusammenhang mit der WM-Vergabe abgelehnt. "Was ist denn das für ein Niveau?", klagte Beckenbauer.

Unterschiedliche Sichtweisen

Rauball und Koch reagierten zurückhaltend. "Ich habe den Brief beantwortet und an die Stelle geschickt, von der ich den Brief bekommen habe", hält Rauball dagegen. "Ich habe geschrieben, dass wir uns freuen und mit einem Terminvorschlag auf ihn zukommen werden. Das war am 11. November."

In einer gemeinsamen Stellungnahme hieß es: "Mit Blick auf die Korrespondenz stellen sich aus unserer Sicht die Dinge etwas anders dar. Wir sind aber natürlich bereit und willens, die offensichtlichen Irritationen in einem persönlichen Gespräch mit Franz Beckenbauer auszuräumen."

sw/to/ck (sid, dpa, sz)