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Der andere Krieg

Günter Knabe21. März 2003

Nahezu zeitgleich mit dem Angriff auf den Irak begannen die US-Streitkräfte auch eine neue Offensive in Afghanistan. Zufall oder stehen die Militäraktionen in einem Zusammenhang? Eine Analyse von Günter Knabe.

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Militärische Offensive auch in AfghanistanBild: AP

Eine knappe Stunde vor dem ersten Luftangriff auf Bagdad und zwei gute Flugstunden östlich der irakischen Hauptstadt starteten die Amerikaner am Donnerstag (20.03.) eine andere Offensive. In Afghanistan begann der größte Angriff auf Reste der El-Kaida und Taliban, den das US-Militär im Kampf gegen die Terroristen und ihre Anhänger am Hindukusch seit einem Jahr unternommen hat.

Angeblich war es Zufall, dass beide Operationen zu beinahe der gleichen Zeit begannen. Ein Sprecher der US-Truppen in Afghanistan erklärte, die Offensive "Tapferer Schlag" (Valiant Strike) sei unabhängig von der Irak-Krise schon seit zwei Monaten vorbereitet worden. Zufall oder nicht - ein Signal war und ist diese massive militärische Operation in Afghanistan auf jeden Fall.

Mission in Afghanistan geht weiter

Zum einen sollte damit den restlichen El-Kaida- und Taliban-Kräften in Afghanistan und im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet deutlich gemacht werden, dass die USA trotz ihres Groß-Aufmarsches gegen den Irak den Kampf gegen die Kräfte des Terrorismus auf afghanischem Boden keineswegs verringern werden.

Die muslimischen Extremisten in Afghanistan und in anderen Ländern, vor allem auch im Nachbarland Pakistan, nutzen den Krieg gegen den Irak, um unter den Muslimen Hass zu schüren gegen den Westen und vor allem gegen Amerika. Es ist zu befürchten, dass sie damit Erfolg haben. Dadurch wächst die Gefahr, dass alle ausländischen Truppen in Afghanistan, nicht nur das US-Militär, angegriffen werden. Das gilt auch für die rund 2.500 deutschen Soldaten, die als Teil der ISAF (International Security Assistance Forces) in der Haupstadt Kabul Ruhe und Sicherheit garantieren sollen.

Gefahr für deutsche Soldaten

Der deutsche Verteidigungsminister Peter Struck hat nicht ohne Grund auf die gestiegene Gefährdung seiner Soldaten in Afghanistan hingewiesen. Auch den deutschen Geheimdiensten liegen Informationen vor, dass es den El-Kaida- und Taliban-Kämpfern in den vergangenen Monaten gelungen sein soll, sich neu zu gruppieren und Angriffs-Potenzial zu sammeln.

Neben dieser realen Gefährdung und erheblichen Verschlechterung der Sicherheitslage am Hindukusch hatte die US-Regierung einen weiteren Grund, diese Offensive in Afghanistan jetzt zu befehlen: Präsident George W. Bush hat sich der inner-amerikanischen Kritik ausgesetzt, dass er über seine geradezu besessene Konzentration auf den Krieg gegen den irakischen Diktator Saddam Hussain den weltweiten Kampf gegen den Terrorismus und insbesondere gegen El-Kaida und Taliban in Afghanistan vernachlässigt habe. Die Operation "Tapferer Schlag" in Südost-Afghanistan soll offenkundig das Gegenteil beweisen.

Labile Stimmung

Wenn nun amerikanische Militärs behaupten, die Kriege in Afghanistan und in Irak würden völlig unabhängig voneinander geplant und geführt, dann glaubt das die Mehrheit der Muslime weltweit bestimmt nicht. Nicht nur radikale Muslime sehen beide Militäraktionen als Teil eines großen Planes der USA, den gesamten Nahen und Mittleren Osten mit allen seinen Ressourcen unter ihre Kontrolle zu bringen. Auch viele nicht radikale Muslime empfinden dies schon jetzt so. Ihre Zahl wird um so größer werden, je länger der Krieg im Irak dauert und je mehr Blut von Glaubensbrüdern dort vergossen wird.

Dann könnte auch die Stimmung in der afghanischen Bevölkerung, die gegenüber gerade den deutschen ISAF-Soldaten in Kabul durchaus freundlich ist, umschlagen in Hass und Aggression. Diese Gefahr könnte zumindest verringert werden durch ein schnelles Ende des Kriegs im Irak, auf das alle hoffen.