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Der Arbeits-Finder

29. Juli 2010

Unzählige Sachbearbeiter in der Arbeitsagentur sollen vor allem eines tun: Arbeitslose in Arbeit bringen. Doch ihre Vermittlungsquote ist miserabel. Was sie besser machen könnten, zeigt ein privater Arbeitsvermittler.

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Der private Arbeitsvermittler Lars Naundorf
Der private Arbeitsvermittler Lars NaundorfBild: picture-alliance/ ZB

„Ich gehöre zur Aufsteh-Abteilung“, sagt Lars Naundorf und meint damit Menschen, die sich nicht unterkriegen lassen. Eine gewisse Zähigkeit ist dem 34jährigen anzusehen. Er trägt ein akkurat gebügeltes Hemd, die Ärmel hat er hochgekrempelt. Dazu ein Bürstenhaarschnitt und eine unauffällige Brille auf der Nase. Besucher begrüßt er mit einem festen Händedruck. Wenn er spricht, was er gerne tut, gehen die Hände mit. Lars Naundorf ist ein Macher-Typ.

Aufgestanden ist er auch damals, als er arbeitslos wurde. Er hatte als Handelsfachwirt in einem Elektromarkt im thüringischen Gera gearbeitet. Dann ging der Laden pleite. Seine erste Tochter war gerade geboren, und Lars Naundorf plagten die Existenzängste. „Das war ein Steilflug nach unten“, erinnert er sich. Doch dann kam er auf die Idee, eine private Arbeitsvermittlung aufzumachen. Eine Arbeitsvermittlung! Ausgerechnet in Gera, einer Stadt mit damals rund 20 Prozent Arbeitslosigkeit. „Meine Freunde haben mich für verrückt erklärt“, so Naundorf. „Alle waren überzeugt, ich würde mein eigenes Grab schaufeln, weil es hier einfach keine Arbeit gibt, die man vermitteln kann.“

Bürokratische Hürden im Weg

Der Bergfried von Schloss Osterstein in Gera.
Gera: viel Tradition, wenig ArbeitBild: dpa zb

Doch er wollte das Gegenteil beweisen, und es ist ihm gelungen: 2002 gründete er seine Arbeitsvermittlung und beschaffte noch im gleichen Jahr zwölf Menschen eine neue Stelle. Im Jahr darauf waren es schon fast einhundert, und bis heute hat er gut 1.500 Menschen in Arbeit gebracht. Er findet Stellen auch für scheinbar hoffnungslose Fälle, wie den 63jährigen Tischler, der in seinem Alter als schwer vermittelbar galt. Oder für die Frau, die seit der deutschen Wiedervereinigung vor 20 Jahren nicht mehr berufstätig war. „Die hat ihre letzte Gehaltsabrechnung noch in DDR-Mark bekommen“, erzählt Lars Naundorf. „Nach der Wende hat sie beruflich nie wieder Tritt gefasst.“ Naundorf verschaffte ihr eine Anstellung in einer Elektrozulieferfirma.

Er könnte noch viel mehr Menschen in Arbeit bringen, wenn man ihn nur ließe, sagt der Vater von drei Kindern. „Mir stehen bürokratische Vorschriften und Gesetze im Weg.“ So dürfe er sich im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit erst dann um die Arbeitslosen kümmern, wenn sie schon seit mindestens zwei Monaten keinen Job mehr hätten.

Vermittlung bei der Arbeitsagentur
Warten bei der ArbeitsagenturBild: AP

Auch könne er nicht diejenigen vermitteln, die von der Arbeitsagentur in Umschulungen oder Bewerbertrainings gesteckt würden und damit offiziell nicht als arbeitslos gelten. „Der Arbeitsagentur geht es gar nicht um die Vermittlung der Leute, sondern nur noch darum, eine tolle Statistik vorzuweisen.“

Geschnürte Schuhe statt Formular per Fax

Was aber macht Lars Naundorf anders? Wie gelingt es ihm, Menschen in Arbeit zu bringen – eine Aufgabe, an der sich Heerscharen von Sachbearbeitern in der staatlichen Arbeitsagentur die Zähne ausbeißen? „Ich bin eben nicht so bürokratisch wie die Arbeitsagentur“, sagt er. „Wenn ein Arbeitgeber bei mir eine offene Stelle meldet, dann schicke ich ihm nicht erstmal ein Formular per Fax, sondern ich schnüre meine Schuhe und bin innerhalb von drei Stunden vor Ort, um mir ein Bild von dem Unternehmen zu machen.“ Nur so könne er treffsicher vermitteln – und darauf kommt es an. Für jeden Topf wolle er den wirklich passenden Deckel finden, sagt Naundorf.

Für viele Unternehmen ist Lars Naundorf so etwas wie eine ausgelagerte Personalabteilung. 90 Prozent der Betriebe im Raum Gera haben weniger als zehn Mitarbeiter. „Hier müssen die Chefs alles machen: Aufträge heranschaffen, Lohnbuchhaltung, Rechnungen schreiben.“ Wenn sie einen neuen Mitarbeiter suchten, dann wollten sie sich nicht auch noch mit Stapeln von Bewerbungen beschäftigen, erzählt Naundorf. Genau diese Arbeit übernimmt er für die Betriebe – und er schickt ihnen nicht Dutzende von Bewerbern vorbei, wie es die staatliche Arbeitsagentur macht. Sondern er filtert und sortiert und schlägt nur zwei oder drei geeignete Kandidaten vor.

Vermittler Naundorf bei der Arbeit
Vermittler Naundorf bei der ArbeitBild: Lars Naundorf

Und auch für die Bewerber nehme er sich Zeit: „Die meisten kommen und sagen, was sie nicht können. Das will ich aber nicht hören“, so Naundorf. „Ich will von den Leuten wissen, was sie denn machen möchten, wenn sie es sich aussuchen könnten. Dann sind die meisten erstmal sprachlos.“

Rückschläge und Niederlagen

Für jede erfolgreiche Vermittlung erhält Lars Naundorf von der Arbeitsagentur 2.000 Euro. Die erste Hälfte des Geldes erhält Naundorf sechs Wochen, nachdem der Kandidat seine Arbeit angetreten hat, und noch einmal 1.000 Euro gibt es, wenn das Arbeitsverhältnis nach sechs Monaten noch Bestand hat.

Lars Naundorf hofft, dass auch sein eigenes Unternehmen Bestand hat. Rückschläge kennt auch er: Von sieben Mitarbeitern musste er zuletzt reduzieren auf drei Mitarbeiter. Auch die Idee, sein Geschäftsmodell an Franchise-Nehmer in ganz Deutschland zu verkaufen, ist gescheitert. Und eine Fernsehsendung mit ihm als Arbeitsvermittler in der Hauptrolle wurde nach nur einer Folge abgesetzt. Das Auf und Ab gehöre eben dazu, sagt Lars Naundorf. Niederlagen nimmt er gelassen. Schließlich zählt er sich selbst zur Aufsteh-Abteilung.

Autorin: Monika Dittrich

Redaktion: Andreas Becker