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Der blaue Brief

Alexander Kudascheff4. September 2002

Es ist Wahlkampf in Deutschland. Und nichts fürchten die Wahlkämpfer, die Wahlstrategen, die Wahltaktiker mehr als Überraschungen. DW-Korrespondent Alexander Kudascheff erläutert.

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Besonders befürchtet sind die Überraschungen, die die Planungen über den Haufen schmeissen. Zwei Beispiele: die Flut. Für die Union, von der FDP gar nicht zu reden, kam sie zum falschen Zeitpunkt und vor allem unangekündigt. Das zweite: die Furcht vor einem Irakkrieg der USA. Dann wäre das Unionskonzept endgültig im Eimer.

Aber für die Regierung ist es auch nicht besser. Zwei Beispiele: Die Krankenkassen trudeln zielsicher ins Defizit, da mag Ulla Schmidt soviel reden wie sie will. Das zweite: Das Defizit der öffentlichen Haushalte - es übersteigt wohl sicher das Verschuldungskriterium des Stabilitätspakts für den Euro. Drei Prozent - sie werden überschritten, da sind sich praktisch alle einig. Doch wer will in diesen Wahlkampfzeiten das zugestehen? Niemand.

Abwiegeln ist besser als Mahnen

Die Folge: das Finanzministerium schickt seine Zahlen erst einmal verspätet nach Brüssel. So kann Brüssel nicht reagieren. Die zweite Folge: man kann die Diskussion über den Schuldenstand abwürgen: Er steht nicht auf der Tagesordnung, so tönt es aus der belgischen und europäischen Hauptstadt. Und besonders laut tönt: Michaele Schreyer, zuständig fürs Geld in Europa, aber eben auch entsandt von den Grünen. So weiß die Kommissarin eben auch, in diesen Zeiten ist Abwiegeln besser als Mahnen, Ermahnen oder gar Verweise aussprechen. Denn eigentlich müßte in diesem September eins auf der Tagesordnung stehen: ein blauer Brief für Spar-Eichel, abgesandt von Brüssel. Doch so wird es nicht kommen.

Der Stabilitätspakt ist eine Fessel

Der blaue Brief - wenn nicht ein Wunder in den öffentlichen Finanzen Deutschlands geschieht - der blaue Brief wird erst nach dem 22. September 2002 geschrieben - für welche Regierung auch immer. Die alte wird dann sagen, es lag an der Weltwirtschaft, die möglicherweise neue, es lag an der alten. Und dann beginnt eine ganz neue Diskussion. Was taugt eigentlich der Stabilitätspakt für den Euro? Und da werden nicht nur die Deutschen mitreden, sondern auch die Franzosen, die Italiener und andere. Warum? Der Pakt ist nämlich eine Fessel für eine vernünftige nationale Wirtschaftspolitik, kein Zweifel. Aber, gibt es eigentlich im Euro-Zeitalter eine nationale Wirtschaftspolitik?