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Der Boykott von Oslo

10. Dezember 2010

Wenn in Oslo der Friedensnobelpreis 2010 verliehen wird, fehlt nicht nur Preisträger Liu Xiaobo. Zahlreiche Länder wollen der Zeremonie fernbleiben. Sie wollen ihre Beziehungen zu China nicht gefährden.

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Im Rathaus von Oslo findet die Verleihung des Friedensnobelpreises statt (Foto:ap)
Im Rathaus von Oslo findet die Verleihung des Friedensnobelpreises stattBild: AP

Genau 65 Staaten sind in der norwegischen Hauptstadt Oslo mit einer Botschaft vertreten. Bezüglich der Feier zur Verleihung des Friedensnobelpreises bekamen sie zweimal Post: Einmal die offizielle Einladung des norwegischen Nobel-Komitees; einmal ein Schreiben der chinesischen Botschaft mit der Aufforderung, dieser Feier doch fernzubleiben. Geir Lundestad, der Direktor des Nobel-Instituts, konstatiert, dass die Chinesen sich in diesem Jahr sehr engagiert haben: "Sie wollten, dass so wenige wie möglich der Einladung folgen. Jetzt werden wir sehen, wer alles aus politischen Gründen nicht kommt, und wer andere Gründe hat."

Absagen an Oslo

Plakat der ermordeten russischen Journalistin Anna Politkowskaja (Foto:dpa)
Viele der boykottierenden Länder haben selbst Probleme mit der PressefreiheitBild: picture alliance/dpa

Bislang haben 44 Länder zugesagt. Aber zahlreiche Staaten werden keinen Vertreter zu den Feierlichkeiten nach Oslo schicken: Neben China sind das Russland, Kasachstan, Kolumbien, Venezuela, Kuba, Tunesien, Marokko, Ägypten, Sudan, Saudi-Arabien, der Irak, der Iran, Afghanistan, Pakistan, Algerien, Sri Lanka und Vietnam.

Für viele stehen wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel. Oder sie teilen die Abneigung Pekings gegen das westliche Eintreten für Menschenrechte. Es ist ein bunter Strauß von Ländern aus allen Teilen der Erde. Allein sechs Staaten der arabischsprachigen Welt sind darunter. Staaten, die selbst einige Probleme im Bereich der Menschenrechte haben. Und zum anderen spielen wirtschaftliche Faktoren bei ihrer Entscheidung eine große Rolle. Denn China ist ein wichtiger ökonomischer Faktor in der arabischen Welt geworden. Im Irak etwa ist China der wichtigste Investor für die Öl- und Gasindustrie.

China als Verbündeten nicht vergrätzen

Auch Russland hat die Einladung des Osloer Nobelkomitees abgelehnt. Der russische Menschenrechtler Sergej Lukaschewskij leitet das Andrej-Sacharow-Museum in Moskau - und hat eine einleuchtende Erklärung parat: "Russland und China sind Mitglieder der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit. Eines ihrer Ziele ist die Bekämpfung des sogenannten Extremismus. In Wirklichkeit bedeutet dies, dass die Länder einander unterstützen, wenn es um die Bekämpfung unbequemer politischer Gruppierungen geht."

Auch Serbien, das jetzt durch seinen vom Parlament bestellten Ombudsmann für Menschenrechte vertreten sein wird, wollte zunächst keinen Vertreter schicken, hat diese Entscheidung jedoch mittlerweile wieder zurückgenommen. Außenminister Vuk Jeremic erklärte, man lege größten Wert auf die Menschenrechte. Aber die bilateralen Beziehungen zu China hätten hier Priorität. Vielleicht spielte da neben wirtschaftlichen Erwägungen auch Chinas Unterstützung für Serbien gegen die Unabhängigkeit des Kosovo eine Rolle.

Einige der absagenden Staaten stehen unter Sanktionen des Westens - wie der Sudan, Iran oder auch Kuba. Sie richten ihre Hoffnungen auf China. Entsprechend erklärte ein Angestellter der kubanischen Botschaft in Oslo auf Nachfrage, etliche Länder würden nicht teilnehmen. Und man solle doch bei der chinesischen Botschaft anrufen.

China legt eigenen Friedenspreis auf

Jiang Yu, die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums (Foto:ap)
Jiang Yu, die Sprecherin des chinesischen AußenministeriumsBild: picture-alliance/dpa

Die chinesische Haltung ist hinlänglich bekannt. In Peking waren in den letzten Tagen die Töne gegen das Nobelkomitee immer schriller geworden. Am Dienstag (07.12.2010) verstieg sich die Sprecherin des Außenministeriums, Jiang Yu, zu der Behauptung, das Nobelkomitee orchestriere eine antichinesische Farce. China werde seinen Kurs nicht ändern, nur weil "einige Clowns" glaubten, sich einmischen zu müssen. Inzwischen hat Peking seine eigene Konkurrenzveranstaltung aufgemacht. Der "Konfuzius-Friedenspreis" wurde jetzt erstmals vergeben - einen Tag vor dem Friedensnobelpreis in Oslo.

Autor: Matthias von Hein

Redaktion: Thomas Latschan