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Der brasilianische Traum vom Studium

Pia Behme23. Juli 2014

Fußball, Wirtschaft, Forschung - Deutschland hat bei Brasilianern einen guten Ruf. Viele möchten gerne hier studieren. Die brasilianische Regierung unterstützt den Austausch mit einem Stipendienprogramm.

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Symbolbild Brasilien Deutschland Fahnen
Bild: Imago

Schon als Jugendlicher wollte Rodrigo Pastl eines Tages nach Deutschland gehen, um dort zu forschen. "Meine Doktorarbeit hier in Deutschland zu schreiben, das war mein Traum seit ich 15 Jahre alt war", erzählt der 28-jährige Brasilianer. Schon damals wollte Rodrigo Ingenieur werden. "Und die besten Ingenieure", so meint er, "kommen nun mal aus Deutschland."

Vor einem Jahr hat sich sein Jugendtraum erfüllt. Der Brasilianer promoviert nun in Berlin beim Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik. Möglich wurde das mit einem besonderen Stipendienprogramm der brasilianischen Regierung. Seit 2011 schickt sie im Rahmen ihres weltweit einzigartigen Austauschprogramms "Ciência sem Fronteiras", zu deutsch: "Wissenschaft ohne Grenzen", Stipendiaten ins Ausland. Bis Ende 2014 sollen es 100.000 sein. Nun wurde das Programm bis 2018 verlängert und neu aufgelegt. Eine Milliarde soll in den Austausch fließen.

Mehr Masterstudenten nach Deutschland locken

Rodrigo kann bis 2017 in Berlin bleiben. Der Ingenieur, der seinen Master in Brasilien gemacht hat, liebt Deutschland aber nicht nur wegen der guten Forschungsbedingungen. Er ist auch fußballbegeistert und hat die Spiele der Weltmeisterschaft in Berlin mit deutschen Freunden verfolgt. "Die WM war sehr cool", sagt er, "aber auch ein bisschen frustrierend, weil Brasilien verloren hat." Aber er kann sich auch sehr gut mit dem deutschen Weltmeister identifizieren.

Rodrigo Pastl im Büro
Rodrigo Pastl an seinem Arbeitsplatz am Fraunhofer-InstitutBild: Privat

Noch steht Deutschland in dem brasilianischen Stipendienprogramm, das Aufenthalte in 26 Ländern fördert, an sechster Stelle – den USA, Großbritannien, Kanada, Frankreich und Australien. Das gute Image Deutschlands als fairer Fußball-Weltmeister und als führende Wirtschafts- und Forschungsnation könnte das Interesse an einem Austausch mit Deutschland stärken. Zumal in der Neuauflage des Programms Masterstudenten gefördert werden.

Förderung zu gewinnen

"Diese Lücke soll sich im nächsten Jahr schließen", sagt Katharina Riehle, Leiterin des Bereichs "Ciência sem Fronteiras" beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). "Dann werden auch in Deutschland Stipendien im Bereich praxisorientiertes Masterstudium unterstützt."

"Der DAAD koordiniert das Stipendienprogramm in Deutschland, das künftig auch mit nationalen Wettbewerben verbunden werden soll. "In Brasilien können die Schüler untereinander in Schülerolympiaden konkurrieren und die Besten sollen dann automatisch ein Stipendium bekommen", erklärt Riehle.

Katharina Rhiele DAAD-Mitarbeiterin
Katharina Riehle betreut das Stipendiatenprogramm "Ciências Sem Fronteiras"Bild: Katharina Rhiele

In Deutschland arbeitet der DAAD mit über 100 deutschen Hochschulen zusammen. "Wir akquirieren die Studienplätze und betreuen die Stipendiaten, sobald sie in Deutschland sind", erklärt die DAAD-Mitarbeiterin. Der Studienaufenthalt beträgt 12 bis 18 Monate. Diese Zeit müssen die Stipendiaten aber nicht nur an der Universität verbringen. Wer möchte, kann ein Semester durch ein sechsmonatiges Praktikum in einem deutschen Betrieb ersetzen. Um die Stipendiaten besser vermitteln zu können, baut der DAAD gerade eine Art Karriereportal auf.

Auch ohne Deutschkenntnisse Chancen auf Stipendium

Bis vor einiger Zeit mussten die Stipendiaten noch deutsche Sprachkenntnisse auf dem B1-Niveau nachweisen. Diese Voraussetzung wurde allerdings wieder gelockert: Auch Bewerber mit geringen Deutschkenntnissen haben Chancen auf ein Stipendium. Diese absolvieren vor dem Studium einen sechsmonatigen Deutsch-Intensivkurs an einer deutschen Sprachschule.

Da Deutsch an den brasilianischen Schulen heute nicht mehr zu den Fremdsprachen gehört, die überall gelehrt werden, begünstigt das die Bewerber. Generell macht es das brasilianische Bildungssystem den Jugendlichen nicht leicht, den Weg an die Universität und damit zu einem Austausch zu schaffen. Im Vorfeld der Weltmeisterschaft haben viele Schüler und Studenten deshalb dafür demonstriert, mehr Geld in die Bildung als in den Bau der Fußballstadien zu stecken. Rodrigo gehörte nicht dazu. "Ich war ja nicht da", sagt er, "aber einige Freunde von mir waren bei den Protesten."

Bessere Bildung, mehr Sicherheit in Deutschland

In Brasilien haben die öffentlichen Schulen einen so schlechten Ruf, dass immer mehr wohlhabende Eltern ihre Kinder auf Privatschulen schicken. Die Klassen sind überfüllt, die Lehrer unterbezahlt und schlecht qualifiziert, viele Schüler schaffen nach ihrem Abschluss die Aufnahme an den Universitäten nicht. An den öffentlichen Hochschulen kommen inzwischen nahezu drei Viertel der Studenten von Privatschulen. Die Schere zwischen arm und reich sei in Brasilien sehr groß, betont Rodrigo.

Den größten Unterschied zu Brasilien sieht der Ingenieur aber in der Sicherheit in Deutschland. Rodrigo genießt es, dass er ohne Angst vor Gewalt auf Berlins Straßen unterwegs sein kann. Am Fraunhofer Institut fühlt er sich bestens betreut. "An meiner Universität hat mich gestört, dass die Forschung kaum mit der Industrie zusammenarbeitet. Das ist hier anders."

Fraunhofer Institut
Am Fraunhofer Institut wird Rodrigo von den Kollegen unterstütztBild: picture-alliance/dpa

Keine Frage, Rodrigo fühlt sich wohl in Deutschland: "Ich lächle immer", sagt er. "Die Deutschen finden, dass ich sehr glücklich bin. Und das bin ich auch, ich mache das, was ich immer wollte." Am liebsten würde er nach der Promotion in Berlin arbeiten. "Mein Gefühl ist es, hier zu bleiben, aber mal gucken", lacht der Brasilianer.