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Bulgarischer Buchmarkt

Mirko Schwanitz23. Juni 2007

Viele Deutsche kennen Bulgarien als Urlaubsland. Doch wer hat schon mal das Buch eines bulgarischen Autors in der Hand gehabt? Es gibt viel zu entdecken. Gut, dass 2007 Vieles in deutscher Übersetzung erscheint.

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Einkaufsstraße in Sofia
Auch in Sofia ist das Leben bunter gewordenBild: picture-Alliance/dpa

Nach dem Sturz der kommunistischen Machthaber 1989 hofften auch die Schriftsteller auf ein neues Aufblühen der bulgarischen Literatur. Doch schon bald stellte sich ein Gefühl der Ernüchterung ein. Denn zunächst einmal brachen Verlagswesen und Buchhandel zusammen, die meisten Autoren stürzten in die Armut.

Buchhandel auf der Straße

Buchcover: Vladimir Zarev - Verfall

Vladimir Zarev hat den bulgarischen Wenderoman geschrieben: "Verfall". In diesem Frühjahr erschien er auch auf Deutsch. Darin schildert er, wie über Nacht 1400 Buchhandlungen schlossen und der Buchhandel ein Jahrzehnt lang auf der Straße abgewickelt wurde. Er erzählt von einem Land, in dem Kellner Banken gründen und Geheimdienstler Pharmakonzerne übernehmen. Und er schildert, wie es den Autoren, den Kulturschaffenden in einem solchen Lande geht.

Wie viele andere musste auch Zarev das Erscheinen seines Romans vorfinanzieren. Inzwischen ist die Geschichte um den integren, aber labilen Erfolgsautor Sestrimski, der gegen den unaufhaltsamen Abstieg kämpft, während der kleine Verbrecher Bojan Tilev zum großen Zampano wird, in Bulgarien der meistverkaufte Roman. Und längst gibt es ihn nicht mehr nur auf den Tischen der Straßenhändler.

Neues Zuhause

Buchcover: Alek Popov - Mission: London

Denn auch in Bulgarien gibt es heute wieder moderne Buchläden. So strahlt das Logo der Helikon-Buchhandlung blau über hellen Schaufenstern in der Sofioter Innenstadt. Auf zwei Etagen drängen sich Käufer vor hohen Regalen. Hier stehen die Bücher von Dimitre Dinev und Ilija Trojanov. Auch in dem erst kürzlich in deutscher Übersetzung erschienenen Roman Alek Popovs, "Mission London" wird eifrig geblättert. Aufmerksam beobachtet Ginka Panayotova ihre Kunden. Die kleine unscheinbare Frau hat der bulgarischen Literatur wieder so etwas wie ein Zuhause gegeben. "Wir sind hier auf dem Balkan und sie können das System des Buchhandels nicht mit dem in Deutschland vergleichen", sagt Panayotova. "Bei uns gibt es immer noch kein Verzeichnis lieferbarer Bücher. Hier müssen sie auf jede noch so kleine Buchmesse gehen, um zu erfahren, welche Bücher gerade auf den Markt kommen und zu jedem Verlagsleiter in persönlichem Kontakt stehen."

Junges Verlagsprogramm

Etwa zu Bozhana Apostolova, die nicht nur Verlagsleiterin, sondern auch eine anerkannte Lyrikerin ist. Apostolova hatte sich nach der Wende eine alte Druckmaschine gekauft und begonnen, Konservenetiketten für den russischen Markt zu drucken. Heute besitzt sie die modernste Druckerei auf dem Balkan. Doch anders als andere Neureiche schaffte sie Geld nicht in die Schweiz. Sie verlegt jedes Jahr 20 junge Schriftsteller und trägt so dazu bei, dass die bulgarische Literatur am Leben geblieben ist.

#map# Daten und Fakten zu Bulgarien

Heute ist ihr mit den Gewinnen aus dem Druckgeschäft finanzierter Verlag "Janet-45" ein Synonym für literarische Qualität. Das junge Verlagsprogramm wird dabei nicht von ihr, sondern von Erfolgsautoren wie Georgi Gospodinov verantwortet, dem es mit seinem "Naturroman" gelang, die Literatur der Postmoderne neu zu definieren. Im Herbst soll das Buch auch den deutschsprachigen Leser erreichen. Auch der Roman "Mütter" (2005 ausgezeichnet mit dem Preis für den "Besten osteuropäischen Roman") der Autorin Teodora Dimova erschien bei Bozana Apostolova.

Spannende Lesewelt

In dem Buch, das inzwischen auch auf deutsch erschienen ist, schildert Teodora Dimova, wie Kinder einer Schulklasse den moralischen Verfall ihrer Eltern vor dem Hintergrund der Wendezeit erleben. Am Ende wirft sie die Frage auf, wie ein Land aufgebaut werden soll, in dem die Eltern vor lauter Problemen vergessen haben, eine Nachfolgegeneration zu erziehen.

Markthalle in Sofia
Bücher gibt es in Sofia nicht mehr nur an Marktständen zu kaufenBild: dpa

Dass Dimova es schafft, selbst die erschütterndsten Szenen dennoch mit Liebe und Wärme zu erzählen, ohne zu urteilen oder zu verurteilen, macht auch dieses Buch auch zu einem wirklich außergewöhnlichen Leseereignis. Mit Bulgarien gilt es, eine neue, in Deutschland noch weitgehend unbekannte und spannende Lesewelt zu entdecken.