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Der Chefkonstrukteur der Bundeswehr-Reform geht nach Brüssel

Nína Werkhäuser20. November 2001

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, wird neuer Vorsitzender des NATO-Militärausschusses und rückt damit an die militärische Spitze der Allianz. Sein neues Amt wird er voraussichtlich im Mai 2002 antreten.

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Militär und Politik waren in der Karriere von Harald Kujat immer eng verknüpft. Mit 17 ging Kujat, der 1942 in Mielke in Westpreußen geboren wurde und in Kiel Abitur machte, zur Bundeswehr. Anfang der 70er Jahre wurde der damalige Offizier der Luftwaffe zum ersten Mal auf einen Posten im Verteidigungsministerium berufen, ein Dienstort, zu dem er im Verlauf seiner Karriere immer wieder zurückkehrte.

In verschiedenen Funktionen sammelte der Vater von drei Kindern Erfahrungen an der Schnittstelle von Militär und Politik. Unter anderem war er Referent für Sicherheitspolitik im Kanzleramt. 1992 schickte das Verteidigungsministerium Harald Kujat, der inzwischen zum Brigadegeneral befördert worden war, zum ersten Mal nach Brüssel - als deutschen Vertreter im Militärausschuss der Nato.

Nach weiteren Stationen bei der Nato und im Verteidigungsministerium wurde Kujat im Juni 2000 Generalinspekteur der Bundeswehr und erhielt damit als General den vierten Stern auf seiner Schulterklappe. Sein anfänglich enges Verhältnis zu Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD), der ihn auch wegen seiner großen politischen Erfahrung zum obersten Soldaten ernannt hatte, ist in den vergangenen Monaten merklich abgekühlt. Denn trotz seiner Loyalität nimmt der 59-Jährige kein Blatt vor den Mund, wenn es um existenzielle Fragen für die Bundeswehr geht. Das betrifft vor allem die chronische Unterfinanzierung der Streitkräfte.

Harald Kujat ist einer der Köpfe der Bundeswehrreform, die er einmal als größte deutsche Militärreform seit Anfang des 19. Jahrhunderts bezeichnet hat. Den Chefkonstrukteur der Reform schmerzt es, daß Geldmangel den Umbau der schwerfälligen Verteidigungsarmee in eine technisch moderne, effektive Bundeswehr mit flexiblen Einsatzkräften behindert. "Die Bundeswehr ist nicht zu 100 Prozent einsatzbereit", rügte er öffentlich. Eine weitere Auslandsoperation ähnlich groß wie der Kosovo-Einsatz mit knapp 5000 deutschen Soldaten könne sie personell und materiell nicht leisten.

Diese offenen Worte führten zu Verstimmungen zwischen Kujat und dem Verteidigungsminister. Die Bedenken des Generalinspekteurs konnten auch dadurch nicht völlig ausgeräumt werden, daß die Bundesregierung der Bundeswehr nach den Terroranschlägen jährlich 1,5 Milliarden Mark mehr zuteilte. Das Geld muß jetzt, hier und heute zum Einsatz gebracht werden", mahnte Kujat, "wir dürfen uns nicht in den Schlingen der Bürokratie verfangen". Es ist kein Geheimnis, daß Kujat diese Summe langfristig nicht für ausreichend hält, um die Bundeswehrreform zu finanzieren.

In Brüssel ist Harald Kujat der fünfte Deutsche auf dem höchsten Militär-Posten der Nato. Nach etlichen Dienstjahren in Brüssel kennt Kujat das schwierige Parkett - und man kennt ihn. In Nato-Kreisen ist er angesehen und genießt Vertrauen. Verteidigungsminister Rudolf Scharping verliert mit Harald Kujat eine wichtige Stütze bei der Umsetzung der Bundeswehrreform. Als sein Nachfolger auf dem Posten des Generalsinspekteurs ist Generalleutnant Wolfgang Schneiderhan im Gespräch, der Chef des Planungsstabs im Verteidigungsministerium. Genau diesen Posten hatte auch Harald Kujat vor seiner Beförderung zum Generalinspekteur inne.