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Der Geheimdienst hört zu

Wolfgang Dick21. November 2013

Flüchtlingen, die in ihrer Heimat verfolgt werden, garantiert die deutsche Verfassung Asyl. Voraussetzung ist eine strenge Prüfung. Diese nutzen Geheimdienste nicht nur, um mehr über die Bewerber zu erfahren.

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Dolmetscher mit Asylbewerbern aus Syrien in der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Berlin Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Asylbewerber müssen sich in Deutschland einer Prüfung unterziehen, um ihren Aufenthalt genehmigt zu bekommen. Mitarbeiter des zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge fragen den Asylbewerber zum einen nach den Bedingungen in seiner Heimat, etwa nach einer politischen Verfolgung. Es wird aber auch danach gefragt, auf welchem Weg die Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Man will herausfinden, ob kriminelle Schleuser geholfen haben und ob die Bewerber eventuell vor der Bundesrepublik schon andere EU-Länder betreten haben. Dann müssten sie dorthin zurück. So weit ist dieses Verfahren international anerkannt.

Anwälte von Asylbewerbern berichten aber, dass sich bei den Befragungen noch eine andere Behörde einschaltet, die selbst der Bevölkerung in Deutschland kaum bekannt ist. Die Hauptstelle für Befragungswesen (HBW) mit Sitz in Berlin. Offiziell ist die Institution dem Kanzleramt unterstellt. Seit 1958 sammelt die HBW Informationen, die der Sicherheit Deutschlands dienen sollen. Die Journalistenkooperation von Süddeutscher Zeitung und dem Fernsehsender NDR berichtet, Mitarbeiter dieser Behörde hätten Asylbewerber auch schon ausgehorcht, ob sie bestimmte Personen in ihrer Heimat näher kennen. Personen, die terroristischen Vereinigungen angehören oder es wurde nach Waffenlagern gefragt. Wenn solche Informationen an die Geheimdienste gelangen würden, könnten sie theoretisch auch verwendet werden, um Terroristen zu stellen oder mit Drohnenangriffen gezielt zu töten.

Victor Pfaff

Gefährliches Spiel?

Viele Rechtsanwälte, die in Deutschland Asylbewerber beraten, kennen die Bundesstelle für Befragungswesen. Aber wissen sie auch um Verbindungen zu den Geheimdiensten? Victor Pfaff arbeitet in Frankfurt seit mehr als 40 Jahren als Anwalt für Asylrecht und hatte schon persönliche Gespräche mit Mitarbeitern der Berliner Behörde. Die Herren seien sehr freundlich gewesen und wären ganz offen aufgetreten. Auch Visitenkarten hätte man ausgetauscht. "Man muss das gar nicht so in einen Geheimnisschleier stecken", sagt Pfaff. Ihm hätte man gesagt, dass die Behörde nichts mit dem BND, Deutschlands Geheimdienst für Auslandsinformationen, zu tun habe. Beweisen, dass es hier keine Verbindungen gibt, könne Pfaff aber nicht, sagt er. Immerhin untersteht auch der BND dem Kanzleramt. In dem Internetlexikon Wikipedia hingegen haben Nutzer die HBW als getarnte Dienststelle des BND bezeichnet.

In seinen 40 Dienstjahren hätten sich aber noch keine Asylsuchenden über Nachteile von Befragungen durch Personen beklagt, die möglicherweise direkt mit deutschen Geheimdiensten zusammenarbeiten, sagt Pfaff. Im Gegenteil. Victor Pfaff sei auch schon direkt auf das Hauptamt für Befragungswesen zugegangen, um zähe Asylverfahren zu beschleunigen. Denn wenn Mandanten für Geheimdienste brauchbare Informationen liefern könnten, wären in der Regel auch Aufenthaltsgenehmigungen oder Reisepässe innerhalb weniger Tage da.

Ein legitimer Deal, der aber nur selten vorkomme, sagt Anwalt Pfaff. "Ein Problem ist nur, wenn bei einer ganz normalen Anhörung eines Asylverfahrens verdeckt deutsche Geheimdienstler mithören und diese Informationen an ausländische Geheimdienste weiterleiten." Damit würden Asylbewerber wie Objekte behandelt und ausgenutzt. Solche Fälle hat Pfaff zwar nicht selbst erlebt, aber er hat schon davon gehört und hält dies für gefährlich. Terroristen könnten Rache üben und vermeintliche Verräter töten.

Unterkunft im Grenzdurchgangslager Friedland (Niedersachsen) (Foto: Swen Pförtner/dpa)
Geheimdienstler tauchen auch in den Grenzdurchgangslagern aufBild: picture-alliance/dpa

Warnung vor Aushorchversuchen

Claus-Ulrich Prölß leitet als Geschäftsführer den Kölner Flüchtlingsrat, der Asylbewerber betreut. Prölß berichtet von Menschen, die direkt von Geheimdienstlern befragt wurden. "Die einen hofften nur auf ein verkürztes Asylverfahren, die anderen wussten gar nicht, worum es ging und hatten Angst." Wie Anwalt Pfaff vermutet auch Claus-Ulrich Prölß, dass es zwischen dem Bundesamt für Migration und dem Hauptamt für Befragungswesen eine Verbindung geben muss. Denn immer wieder tauchen nach dem eigentlichen Asylverfahren noch Mitarbeiter bei den Asylsuchenden auf und stellen zusätzlich Fragen, die eindeutig geheimdienstliche Erkenntnisse bringen sollen.

Sich darauf einzulassen, davon rät Prölß dringend ab: "Man muss nach der NSA-Affäre leider davon ausgehen, dass alle Auskünfte weitergeleitet werden." Einen Schutz, dass die Informationen vertraulich nur in deutschen Dossiers bleiben würden, sieht der Leiter des Kölner Flüchtlingsrats nicht. Es habe sicher auch Gründe, dass das Land Nordrhein-Westfalen seine jahrelangen Sicherheitsbefragungen aufgegeben habe. Zaza Koschuaschwili, Rechtsanwalt für Asylrecht in Köln, warnt ebenfalls vor Fragerunden, die nichts mit dem eigentlichen Asylverfahren zu tun haben. Die Qualität der dabei anwesenden Dolmetscher sei häufig fragwürdig. "Es ist oft so, dass Dolmetscher eigene Meinungen bei der Aussage hineininterpretieren. Die Mandanten klagen oft, sie hätten das so gar nicht gesagt." Koschuaschwili ist gebürtiger Georgier und könnte als Anwalt Mandanten mit seinen Sprach- und Rechtskenntnissen optimal schützen. Sobald sich das Hauptamt für Befragungswesen einschaltet, sind Anwälte bei den Gesprächen aber selten zugelassen.

Flurgeschehen im Grenzdurchgangslager Friedland (Niedersachsen) (Foto: Swen Pförtner/dpa)
Asylbewerber fühlen sich oft verloren im Umgang mit Behörden.Bild: picture-alliance/dpa

Mitwirkung soll keine Nachteile bringen

Um mehr Licht ins Dunkel zu bringen, was es mit der Hauptstelle für Befragungswesen und möglichen Verbindungen zum BND auf sich hat, stellte die Deutschen Welle eine offizielle Interviewanfrage an die Behörde. Deren Leiterin meldete sich auch sofort persönlich und versprach am Telefon, dass man Auskunft erteilen würde, wenn man einen Fragekatalog mit dem Kanzleramt abstimmen könne. Der Prozess dauert aktuell noch an.

Sharmila H. (vollständiger Name ist der Redaktion bekannt) ist vor einem halben Jahr aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Sie wartet noch auf ihre Befragungen. Eines ist ihr aber klar, wenn Geheimdienst-Mitarbeiter sie kontaktieren würden: "Ich werde auf keinen Fall irgendwelche Fragen beantworten." Sie sei nur bereit zu sagen, warum und wie sie hergekommen sei. Die Anwälte für Asylrecht, Victor Pfaff und Zaza Koschuaschwili versichern, dass alle, die mit dem Geheimdienst nicht kooperieren wollen, keine Nachteile in ihrem normalen Asylverfahren zu befürchten hätten. Sharmila H. hofft, dass das wirklich so ist.