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Der Dritte im Bunde

Monika Lohmüller12. Mai 2002

Die FDP wird erstmals in ihrer Geschichte mit einem eigenen Kanzlerkandidaten in den Bundestagswahlkampf ziehen. Guido Westerwelle heißt der Auserwählte. Ein Kommentar von Monika Lohmüller.

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Vor dem Regierungswechsel 1998 durch SPD und Bündnis/Grüne waren die Freien Demokraten ununterbrochen fast 29 Jahre lang - wechselweise mit Sozialdemokraten oder CDU/CSU - in der Regierungsverantwortung. Sie waren in diesen Jahren stets das Zünglein an der Waage, die Mehrheitsbeschaffer. Sie erlebten Höhen und Tiefen. Die FDP erreichte zweistellige Wahlergebnisse, musste aber nicht selten auch darum bangen, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen, die einen Einzug in den Deutschen Bundestag erst möglich macht.

Jürgen Möllemann, FDP-Landeschef in Nordrhein-Westfalen und stellvertretender Bundesvorsitzender war es, der seiner Partei das 18-Prozent-Ziel verordnete. Möllemann, das "entfant terrible" seiner Partei, der Unberechenbare, gab die Losung aus, die Freien Demokraten dürften nicht mehr länger nur den großen Volksparteien an die Macht verhelfen. Die Liberalen müssten Selbständigkeit zeigen. Die "neue" FDP sei nicht länger nur der Königsmacher. Sie sei vielmehr eigenständig, verfüge über ein Programm, das dringend notwendige Reformen in Deutschland mutig anpacke und das Land voranbringe. Mit dem 18-Prozent-Ziel konnte sich der vor einem Jahr frisch gekürte, forsche Parteichef Guido Westerwelle anfreunden. Doch einen eigenen Kanzlerkandidaten zu stellen, so Westerwelle noch bis vor kurzem, damit werde die Schraube doch wohl überdreht.

Seit dem durchaus beachtlichen Wahlsieg von über 13 Prozent vor knapp einem Monat im ostdeutschen Bundesland Sachsen-Anhalt jedoch, hat Guido Westerwelle offensichtlich der Ehrgeiz gepackt. Der 40-Jährige, der durch spektakuläre Aktionen vor allem junge Leute an die Wahlurne holen will, bietet sich nun als weiterer Kanzlerkandidat in Deutschland an. Er tritt an gegen den medienerprobten SPD-Kanzler Gerhard Schröder.

Er tritt an gegen den eher spröden Unionskanzlerkandidaten Edmund Stoiber. Einen Mann, der mehr auf Zahlen und Fakten setzt und der weit davon entfernt ist, dem Medienzeitalter und seinen Wirkungen zu entsprechen. Dass dies aber mitausschlaggebend für einen Wahlerfolg sein kann, das hat FDP-Chef Westerwelle schon längst verinnerlicht. Trotz Mahnungen altgedienter Parteifreunde, wie sie beispielsweise der ehemalige FDP-Parteivorsitzende Otto Graf Lambsdorff formulierte, hat Guido Westerwelle wieder einmal auf das Spektakuläre gesetzt: auf die Kanzlerkandidatur.

Es ist nicht verwunderlich, dass diese Frage, ehe sie beantwortet wurde, auf dem Parteitag in Mannheim allgegenwärtig war. Dass die FDP, so sie denn wieder die Regierungsverantwortung im September übernimmt, die Steuern drastisch senken, die Wehrpflicht in Deutschland abschaffen und die Sozialsysteme umbauen will, diese klassisch-liberalen Programmpunkte gerieten unter die Räder. Selbständigkeit und Eigenständigkeit der FDP, dieser Wunsch ist ja durchaus nachzuvollziehen. Ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf zu ziehen, auch das ist sicherlich ein Angebot vor allem an jene Wähler, die sich bis zuletzt nicht zwischen den beiden großen Volksparteien CDU/CSU und SPD entscheiden können. Aber wozu bedurfte es der Kanzlerkandidaten-Kür?

Sicherlich ist dieser Schritt im Sinne des Erfinders: über die Freien Demokraten soll geredet werden bis zum Wahltag - so oder so. Dabei ist es nicht wichtig, dass es kaum Chancen für die FDP gibt, wirklich den Kanzler zu stellen. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland, angesichts der Tatsache, dass das Land in Europa Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum ist und an einschneidenden Reformen nicht mehr vorbeikommt, hätte die FDP besser daran getan, sich bei den Wählern mit ihrem Programm zu empfehlen, statt mit einem eigenen Kanzlerkandidaten. Der wird nunmehr stets darauf bestehen, mit Schröder und Stoiber auf gleicher Augenhöhe zu sein. Das wird noch viel Spaß geben!