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Der Einfluss von TV-Duellen auf das Wahlverhalten

2. September 2005

Der Kölner Soziologe Markus Klein hat die Wirkung von TV-Duellen auf die Wahlentscheidung von Zuschauern untersucht. Wie er das gemacht hat und zu welchen Ergebnissen er kam, schildert er in diesem Beitrag für DW-WORLD.

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Bei der Bundestagswahl 2002 wurden erstmals in der Geschichte bundesdeutscher Wahlkämpfe zwei TV-Debatten durchgeführt, in deren Rahmen die beiden Kanzlerkandidaten der großen Volksparteien aufeinander trafen. Diese von den Medien so genannten "TV-Duelle" wurden jeweils von ca. 15 Millionen Menschen vor den Fernsehgeräten live verfolgt und gehörten damit zu den zentralen Wahlkampfereignissen im Vorfeld der Bundestagswahl 2002.

Als Begründung für die Einführung der TV-Duelle wurde angeführt, dass sie politisch wenig interessierten und informierten Bürgern die Möglichkeit böten, sich kurz vor der Wahl einen Eindruck von den zur Wahl stehenden Alternativen zu verschaffen. In der Konsequenz könnten daher die TV-Duelle eine höhere Wahlbeteiligung bewirken. Auch würden die TV-Duelle die jeweiligen Kanzlerkandidaten zwingen, ihre Politikentwürfe für die Zukunft offen zu legen, was den Wählerinnen und Wähler eine informierte Wahlentscheidung ermögliche. Die TV-Duelle sollten also auch für die eigentliche Parteienwahl nicht ohne Einfluss sein.

Neuartiges Befragungsinstrument

Wie aber kann man die Wirkungen der TV-Duelle auf das Wahlverhalten der Bürgerinnen und Bürger untersuchen? Zunächst ist es hierfür notwendig, die Urteile der Zuschauerinnen und Zuschauer über das Auftreten der Kandidaten direkt am Abend der TV-Duelle zu erheben, damit diese noch nicht durch die nachfolgende Medienberichterstattung über die TV-Duelle beeinflusst sein können. Zum zweiten sollte sichergestellt sein, dass die befragten Zuschauerinnen und Zuschauer nicht die nachfolgenden Diskussionssendungen verfolgen können.

Um diese beiden Bedingungen sicherzustellen zu können, wurde in einer von der Universität zu Köln durchgeführten Studie ein neuartiges Befragungsinstrument des forsa-Instituts (Berlin) verwendet, das sogenannte forsa.omninet. Im Rahmen des forsa.omninet erfolgt die Befragung über das Fernsehgerät der Probanden (nähere Erklärung siehe Artikel unten).

Duelle mobilisieren Wähler

Die wichtigsten Befunde unserer Studie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Zuschauer eines TV-Duells haben sich mit einer höheren Wahrscheinlichkeit an der Bundestagswahl 2002 beteiligt als Wahlberechtigte, die dieses TV-Duell nicht am Fernseher verfolgt haben.

Schröder ging aus beiden TV-Duellen 2002 als Sieger hervor: Beim ersten TV-Duell sahen 33 Prozent der Befragten Schröder als Sieger und 26 Prozent Stoiber. Beim zweiten TV-Duell betrugen die entsprechenden Zahlen 57 vs. 15 Prozent. Die Wahrnehmung Gerhard Schröders als des Siegers eines TV-Duells hat die Wahrscheinlichkeit, bei der Bundestagswahl 2002 die SPD zu wählen, signifikant erhöht. Die Wahrscheinlichkeit der Nichtwahl sinkt dabei stärker als die Wahrscheinlichkeit der Wahl einer anderen Partei als der SPD. Analoge Befunde ergeben sich auch für Edmund Stoiber und die CDU/CSU. Da Schröder aber häufiger als Sieger gesehen wurde als Stoiber, hat im Saldo die SPD von den TV-Duellen profitiert.

Von beiden TV-Duellen gingen eigenständige Wirkungen auf die Wahlbeteiligung und die Wahlentscheidung aus, die sich gewissermaßen "aufaddierten". Die Wirkungen des zweiten TV-Duells waren dabei jeweils stärker als diejenigen des ersten TV-Duells. Dies ist aller Wahrscheinlichkeit nach auf die größere zeitliche Nähe des zweiten Duells zum Wahltermin zurückzuführen. Vor dem Hintergrund dieser Befunde wird die Forderung Schröders nach einem zweiten TV-Duell auch bei der Bundestagswahl 2005 verständlich: Die erhofften Mobilisierungswirkungen zugunsten der SPD würden – die von Schröder erwartete Überlegenheit gegenüber Merkel vorausgesetzt – nach den hier berichteten Befunden bei zwei TV-Duellen nämlich stärker ausfallen als bei nur einem einzigen.

Markus Klein

Markus Klein ist Sozialwissenschaftler am Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung an der Universität zu Köln

Weiterführende Literatur:

Klein, Markus, 2005: Der Einfluss der beiden TV-Duelle im Vorfeld der Bundestagswahl 2002 auf die Wahlbeteiligung und die Wahlentscheidung. Eine log-lineare Pfadanalyse auf der Grundlage von Paneldaten. In: Zeitschrift für Soziologie, 34, S. 207-222