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Der erste slowakische WM-Titel sorgt für "Wiedervereinigung" der einstigen Tschechoslowakei

16. Mai 2002

- Slowakische Freudenfeier auf dem Prager Wenzelsplatz

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Prag, 15.5.2002, PRAGER ZEITUNG, deutsch, Gerd Lemke

Für wenige Stunden war am vergangenen Samstag (11.5.) die Tschechoslowakei wiedervereint. Das, wovon einige - nicht nur reaktionäre - Politiker heute noch träumen, vollzogen die "normalen" Menschen mit ihrem Herzen. Das schlägt bekanntlich besonders hoch, wenn es um Eishockey geht. Und hatte die ganze Welt, na ja, sagen wir lieber, die ganze Eishockey-Welt, in den vergangenen vier Jahren neidisch und bewundernd auf Tschechien geblickt, richten sich die Augen jetzt auf das östliche Nachbarland. Nur etwas mehr als fünf Millionen Einwohner zählt die Slowakei. Doch gegen die 36fache Übermacht von Russland haben sie gleich zweimal gewonnen, einmal im Gruppenspiel und einmal im Finale.

Den Tschechen hingegen klebt im Wahljahr das Pech am Hockeyschlager. Trotz klarer spielerischer Überlegenheit zweimal das Aus gegen den ungeliebten ehemaligen Besatzer, keine Medaille bei Olympia und auch nicht bei der Weltmeisterschaft. Nur kurz wahrte die Phase der Gehässigkeit nach der erneuten Enttäuschung auf dem Eis. Statt dem ehemaligen kleinen Bruder nun auch die Seuche im Abschluss zu wünschen, wurden alle Tschechen überzeugte Föderalisten. Manch einer wird die Worte der Nationalhymne noch gekannt haben, die früher die zweite Strophe der tschechoslowakischen bildete und heute an die erste Stelle der slowakischen aufgerückt ist. Von Blitzen über der Tatra ist dort die Rede und der Notwendigkeit, dass die schlafende Slowakei endlich aufwache.

Erst gar nicht eingeschlafen ist sie Samstagnacht nach dem historischen Sieg, durchgefeiert wurde nicht nur in Bratislava, sondern auch in Prag. Die kurze slowakische Freudenfeier auf dem Prager Wenzelsplatz wurde mit wachem, doch sympathisierendem Auge des Gesetzes verfolgt.

Das Singen der fremden Nationalhymne und Schwenken der fremden Fahne war einmal nicht ein Angriff auf die Souveränität des Landes auf diesem geschichtsträchtigen Platz. Der "kleine Bruder" Slowakei ist nun Mal nur eine Großmacht im Eishockey, einem Sport, der eigentlich nur von einer guten Handvoll Nationen ernsthaft betrieben wird. (ykk)