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Der Euro scheitert nicht

16. Juni 2010

Auch wenn Griechenland pleite gehen sollte: Der Euro wird weiterhin eine attraktive Währung bleiben. Austreten und abwerten ist keine wirkliche Alternative zum Währungsclub.

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Das Euro-Logo vor dem Gebäude der Europäischen Zentralbank in Frankfurt (Foto: apn)
Ist der Euro wirklich in Gefahr?Bild: AP
Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag (Foto: dpa)
Merkel im Bundestag: "Der Euro ist in Gefahr"Bild: AP

"Scheitert der Euro, dann scheitert Europa", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel Mitte Mai in Aachen bei der Verleihung des Karlspreises an den polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk. Und dieser Satz gefiel ihr offenbar so gut, dass sie ihn einige Tage später im Deutschen Bundestag wiederholte: "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa." Klingt gut, der Satz. Aus ökonomischer Sicht hat er nur einen kleinen Nachteil: Er ist Unsinn. Denn eine Währung kann nicht scheitern, ob man sie Euro oder Micky Maus nennt. Solange sie irgendjemand als Zahlungsmittel akzeptiert, kann eine Währung nicht scheitern - wohl aber an Wert verlieren, sagt Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft. "Aus Sicht der ausländischen Investoren bedeutet ja eine Abwertung des Euro, dass sie damit Geld verlieren. Insoweit hat das schon Auswirkungen. Aber dass man dann sagen kann, der Euro scheitert, ist aus dieser Perspektive nur sehr schwer nachvollziehbar."

Was die Kanzlerin vielleicht gemeint haben könnte, ist die Gefahr, dass die Währungsunion gesprengt wird, weil eventuell das eine oder andere Mitglied den Euroclub verlassen möchte. Denn rauswerfen kann man ein Mitglied der Währungsunion nicht, sagt Jürgen Matthes. "Es gibt keine legale Handhabe für diesen Weg. Was wir jetzt im Lissabonvertrag haben, der seit Dezember letzten Jahres jetzt für die EU neu gilt, ist, dass es überhaupt erstmal ein juristisches Austrittsrecht gibt." Allerdings könne ein Staat nur aus der Europäischen Union insgesamt und nicht aus der Währungsunion austreten. "Irgendwie würde sich das juristisch machen lassen. Was allerdings die ökonomische Seite eines Austritts betrifft, das steht auf einem ganz anderen Blatt."

Austreten und wieder eintreten

Jürgen Matthes, Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln, Leiter Internationale Wirtschaftspolitik (Foto: Jürgen Matthes)
Jürgen Matthes: "Ein Scheitern ist schwer nachvollziehbar"Bild: Jürgen Matthes

Theoretisch könnte ein Land also aus der Europäischen Union austreten, um in der nächsten Minute wieder einzutreten, und hätte dann die Mitgliedschaft im Euroclub verloren. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, sagt ziemlich deutlich, was er von diesen Gedankenspielen hält: "Wir halten es für unredlich, weil es unrealistisch ist, den Rauswurf oder den Austritt aus der Währungsunion für eine wirkliche Option zu halten und in die Diskussion zu bringen." Ein Austritt müsse verhandelt werden und könne nur Schwachwährungsländer betreffen, die austreten in der Hoffnung, dass sie eine Abwertung organisieren können, die ihnen im Augenblick verstellt ist. "Und das dürfte eine massive Reaktion der Privatanleger auslösen, die auf die Banken rennen und sich ihre Euro-Bestände in bar auszahlen lassen", sagt Hüther. "Wir hätten dann eine enorme Verteuerung der Importe insbesondere im Rohstoffbereich. Mit all diesen Verwerfungen wäre das keine wirklich gestaltbare Situation." Das könne man nur machen, "wenn alles in Ruhe läuft".

In Ruhe - oder heimlich vorbereitet und so plötzlich vollzogen, dass die Anleger keine Chance haben, vorher die Bank zu stürmen. Nur so sind die jüngsten Gerüchte zu erklären, Griechenland lasse heimlich wieder Drachmen drucken und prägen. "Lächerlich", fand Finanzminister Giorgos Papakonstantinou diese Spekulationen und lud ein Fernsehteam ins Allerheiligste ein, in jenen Raum, wo die Münzen geprägt werden. So konnten die Griechen in den Nachrichten mit eigenen Augen sehen: Die Maschinen spucken Euromünzen aus und nichts anderes.

Griechenland ist kein Tigerstaat

Professor Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Köln, (Foto: DW/Bernd Riegert)
IW-Direktor Hüther: "Ausstiegsszenarien sind unrealistisch"Bild: DW

Immerhin: "Ein Austritt, der völlig überraschend käme, der wäre technisch vielleicht durchführbar", erklärt Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft. Wenn er denn geheim gehalten werden könnte – was, zugegeben, ziemlich illusorisch ist. Eine eigene Währung zu haben, wäre schon schön. Man könnte abwerten, dann wäre man wieder wettbewerbsfähig und könnte neu durchstarten. Vorausgesetzt, die Gewerkschaften spielen mit und setzen keine Lohn-Preis-Spirale in Gang. In der Asienkrise haben das einige Länder erfolgreich angewendet. "In Asien hat das gewirkt", sagt Matthes. "Aber wenn man in die Geschichte schaut und anschaut, wie stark die Gewerkschaften gerade in Südeuropa sind, dann sind da doch Zweifel angebracht, ob das auch in Südeuropa gelingen würde."

Autor: Rolf Wenkel

Redaktion: Zhang Danhong