1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Der Fall Anat Kamm

21. April 2010

Die Journalistin Anat Kamm aus Israel soll geheime Armee-Informationen an Journalisten weitergegeben haben. Jetzt droht ihr eine lange Haft wegen Hochverrats. Die Presse in Israel durfte über den Fall nicht berichten.

https://p.dw.com/p/N27y
Israelische Journalistin Anat Kamm (Foto: dpa)
Wie lange muss Anat Kamm (links) ins Gefängnis?Bild: picture alliance/dpa

Monatelang darf in Israel keiner etwas über sie schreiben: Anat Kamm, Israelin, 23 Jahre alt und Journalistin. Sie darf seit über fünf Monaten ihre eigenen vier Wände nicht verlassen. Mit dem Beschluss, die junge Journalistin unter Hausarrest zu stellen, kommt zeitgleich eine zweite Anweisung des Gerichts: Niemand in Israel darf über den Fall sprechen. Zumindest war das bis Anfang April so, denn dann wurde die Nachrichtensperre wieder aufgehoben. Seither werden über den Fall Kamm auch Details bekannt.

Beweise sammeln

Die ganze Geschichte beginnt 2005, als Kamm, wie jede andere Frau in Israel, ihren zweijährigen Militärdienst antritt. Kamm dient unter dem damaligen Generalmajor Jair Naveh, dem Kommandeur der israelischen Truppen im Westjordanland. Während dieser Zeit soll sie Akten kopiert haben, die unter anderem belegen sollen, dass die israelische Armee im Westjordanland gezielt Palästinenser getötet hat, statt sie festzunehmen.

Titelseite der englischsprachigen Ausgabe der Tageszeitung Haaretz (Archivfoto: AP)
Die links-liberale Tageszeitung Haaretz hatte den Artikel von Uri Blau 2008 veröffentlichtBild: AP

Israelischen Medien zufolge soll Kamm die Geheimdokumente für ihre eigene journalistische Arbeit verwendet, aber auch an andere Journalisten weitergegeben haben. Unter anderem auch an den israelischen Journalisten Uri Blau von der links-liberalen Tageszeitung "Haaretz". Dieser hatte im November 2008 einen Artikel veröffentlicht, der den Titel "Lizenz zum Töten" trug. Darin wirft er der Armee genau das vor, was angeblich die kopierten Dokumente beweisen: gezielte Tötung militanter Palästinenser gegen den Beschluss des höchsten Gerichts. Außerdem schreibt er über Inhalte geheimer Treffen im Büro von Jair Naveh.

Im September 2009 hatte Blau mit dem Inlandsgeheimdienst Schin Bet ein Abkommen getroffen und ihm Dutzende von Dokumenten übergeben. Im Gegenzug sollte er nicht nach seinen journalistischen Quellen befragt werden - so sah der Deal aus. Und dennoch habe Schin Bet Anat Kamm unter dem Verdacht festgenommen, Blaus Quelle zu sein. Schin Bet hatte auch Blau im Januar zu einer Befragung geladen und damit gegen die Abmachung verstoßen.

Blau in London, Kamm unter Arrest

Israelische Soldaten in Nablus im Westjordanland (Foto: AP)
Die israelische Armee soll laut kopierter Dokumente gezielte Tötungen von Palästinenser geplant habenBild: AP

"Haaretz" veröffentlichte kürzlich eine Stellungnahme dazu. Alle Artikel von Uri Blau seien damals durch die Militärzensur gegangen und hätten "volle Zustimmung" erhalten. Blau hält sich derzeit in London auf. Er wird erst dann wieder israelischen Boden betreten, wenn klar ist, dass er keine Festnahme zu befürchten hat. Anat Kamm hingegen wurde im Januar 2010 wegen Spionage und Verletzung der Staatssicherheit angeklagt. Sie gab zu Protokoll, die Dokumente weitergegeben zu haben, um auf die Verstöße der israelischen Armee aufmerksam zu machen. Die Journalistin, die zuletzt für die Online-Nachrichtenseite "Wallah!" arbeitete, muss jetzt mit einer langen bis lebenslangen Haftstrafe rechnen, heißt es.

Anat Kamm selber schweigt. Dafür wird Anat Kamms Fall in der israelischen Gesellschaft äußerst kontrovers diskutiert. Der Fall offenbart Sicherheitslücken in der Armee: Wie kann es einer jungen Frau so einfach gemacht werden, solche geheimen Dokumente zu kopieren? Außerdem wirft er die Frage nach der Pressefreiheit im Land auf. Eigentlich sollte Kamm am 12. April der Prozess gemacht werden. Der Termin wurde aber verschoben. Auf wann, ist nicht bekannt.

Autorin: Diana Hodali (dpa/ap)

Redaktion: Anne Allmeling