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Zwischen Klub und Kurve

30. Oktober 2009

Sie vermitteln zwischen den Vereinen, den Fans und der Polizei: Die Fanbeauftragten, die es bei jedem Bundesligisten gibt. Sie sollen dafür sorgen, dass der Spielbetrieb auch auf den Rängen in geordneten Bahnen abläuft.

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Quelle: dpa
Bild: picture alliance / dpa

Die Szene der Fanbeauftragten im deutschen Fußball ist genau so bunt wie die Aufgaben, die sie zu bewältigen haben. Bei einigen Vereinen machen oder machten ehemalige Spieler diesen Job, wie Reinhold Aumann beim FC Bayern oder "Aki" Schmidt und "Siggi" Held bei Borussia Dortmund. Bei den meisten Clubs kommen sie jedoch "aus der Kurve", also aus dem Lager der Fans selber und werden vom Verein bezahlt.

Ein Feuer brennt im Fanblock von Hansa Rostock (Foto: DPA)
Gefährlich und verboten: Feuer im FanblockBild: dpa

Der Fanbeauftragte ist Bindeglied zwischen Fans und Verein. Da muss er vermitteln und Verständnis schaffen für Maßnahmen der Vereinsführung, die den Fans vielleicht nicht sofort einsichtig sind. Das geht von den Ticketpreisen bis zur Kartenvergabe. Er organisiert Reisen, wenn die Fans ihre Mannschaft ins Trainingslager begleiten wollen. Oder er hilft, wenn Anhänger Ärger mit der Dauerkarte haben oder Informationen über den Verein und seine Spieler suchen.

Laut, aber friedlich

Die Institution des "Fanbeauftragten" war aber auch als Instrument zur Gewaltprävention ins Leben gerufen worden. Der Gedanke dahinter: Wenn es gelingt, die Fans näher an den Verein heranzuführen, sie mit den Problemen vertraut zu machen, die mit der Organisation von Spielen verbunden sind, dann wächst das Verständnis und die Gewaltbereitschaft sinkt. Dies scheint in den letzten Jahren auch gelungen zu sein - die Gewalt in den Stadien selbst jedenfalls hat abgenommen.

Ein großes Polizei-Aufgebot mit berittenen Kräften im Karlsruher Wildparkstadion (Foto: DPA)
Berittene Polizei hält Fans in SchachBild: picture alliance / dpa

Ralf Rojek ist Anhänger des FC Schalke 04 und der Fanbeauftragte seines Vereins. Er nennt noch einen anderen Grund, warum es in den letzten Jahren seltener zu Ausschreitungen in den Stadien kam: Die Fanstruktur habe sich grundlegend geändert. Während bis in die 1980er-Jahre fast ausschließlich Männer zum Fußball gegangen sind, kommen heute viel häufiger auch ihre Frauen und Freundinnen mit. Sogar ganze Familien mit Kindern gehen heute wie selbstverständlich ins Stadion, und die seien nun mal nicht von vornherein "gewaltbereit".

Aus den Stadien auf die Straße

Gewalt rund um den Fußball ist aber nicht verschwunden, sie hat sich nur eine andere Arena gesucht. Während es in den von Videokameras überwachten modernen Stadien friedlicher geworden ist, bricht sich die Gewalt vor dem Stadion Bahn. Und da sind die Fanbeauftragten wieder gefordert. Hier sind sie nicht mehr Vermittler zwischen Fans und Verein, sondern zwischen Fans und Polizei. Kommt es zu Übergriffen und die Polizei schreitet ein, kann der Fanbeauftragte Kontakt zu den Ordnungshütern suchen und aufgebrachte Fans beruhigen. Wenn er ihnen sagen kann, dass ein abgeführter Anhänger nur zur Personenkontrolle "einkassiert" wurde ist und gleich wieder zurück sein wird, kann das zur Deeskalation beitragen und aufgebrachte Gemüter besänftigen.

Massives Polizeiaufgebot am Rande einer Drittligapartie - hier in Düsseldorf (Foto: DPA)
Polizeiaufgebot am Rande einer Drittligapartie - hier in DüsseldorfBild: picture alliance / dpa

Auch vor dem Spiel steht ein Fanbeauftragter oft schon mit Ordnungsdiensten oder der Polizei in Kontakt, klärt auf und warnt. Durch die Verwurzelung in der Fanszene weiß er sehr genau, welche Fans etwa gewaltbereit sind oder sich leicht verführen und mitreißen lassen. Für Ralf Rojek ist die Zusammenarbeit mit der Polizei wichtig und willkommen. Für ihn sei das wichtigste an der "schönsten Nebensache der Welt", dass sie ohne Gewalt über die Bühne geht. Dass eine Familie mit Kindern sicher zum Spiel kommt und, nachdem sie friedlich ein Spiel gesehen hat, auch gesund wieder nach Hause kommt.

Im Osten fliegen die Fäuste schneller

Beim Thema Gewalt und Fußball gibt es ganz offenbar ein Ost-Westgefälle: Im Westen der Republik gibt es weit weniger Zwischenfälle, die Zahl der sogenannten Hochsicherheitsspiele ist geringer als im Osten. Ralf Rojek hat das auch beobachtet und darüber nachgedacht. Ob Ausländerfeindlichkeit oder Antisemitismus im Osten der Republik weiter verbreitet seien als im Westen, weiß er nicht, aber ihm fallen noch andere Gründe für dieses Phänomen ein. Für ihn liegt das Problem auch darin, dass in den unteren Ligen, wie beispielsweise der Dritten Liga, die Sicherheitsstandards nicht so hoch seien wie in den ersten beiden Bundesligen. Das Polizeiaufgebot im Stadion und im Umfeld sei nicht so massiv, es würden weniger Beamte eingesetzt. Daher komme es dort eher zu den Ausschreitungen, die es bei den großen Vereinen im Westen so nicht mehr gebe.

Gerald Asamoah (Foto: AP)
Nationalspieler Gerald AsamoahBild: AP

Vor Verunglimpfungen und Beleidigungen sind auch Nationalspieler nicht sicher. Gerald Asamoah von Schalke 04 beispielsweise wurde in Ghana geboren und bezeichnet sich selbst scherzhaft als "den schwärzesten Nationalspieler, den Deutschland je gehabt hat". Bei einem Spiel seines Vereins Schalke 04 bei Hansa Rostock im Jahr 2006 wurde er von den Anhängern der Heimmannschaft übel beleidigt - wegen seiner Hautfarbe. Der DFB belegte den Verein dafür mit einer Geldstrafe. Der erzieherische Erfolg dieser Maßnahme darf allerdings bezweifelt werden, da Gerald Asamoah anschließend das Gleiche noch einmal erleben musste, diesmal in Jena.

Die Gruppendynamik macht’s

Wenn Beleidigungen, Übergriffe oder gar gewalttätige Ausschreitungen geschehen sind, kann der Verband strafen, aber er kann solche Vorkommnisse nicht verhindern. Mit Kampagnen wie "Mein Freund ist Ausländer" oder "Zeig’ Rassismus die rote Karte" kann er zwar ein Bewusstsein für das Problem geschaffen, doch das Problem nicht lösent. Ralf Rojek wundert das nicht. Er ist der Ansicht, dass nur die Vereine, oder genauer, die Fans der jeweiligen Vereine das Problem lösen könnten. Eine Aktion gegen Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus finde dann am ehesten Gehör, wenn sie aus den Reihen der Fans kommt.

Werder Bremen Fans feiern 2004 die Deutsche Fussball Meisterschaft (Foto: AP)
Friedfertig feiert's sich am schönsten, hier in Bremen, 2004Bild: AP

Ralf Rojek sieht seinen Verein da in einer Vorbildrolle. Er weist daraufhin, dass es "Auf Schalke" gelungen sei, das Problem in den Griff zu bekommen, indem Fans auf Fans eingewirkt haben. Wie bei anderen Vereinen auch seien die Problemfälle durch Gruppendruck zur Einsicht gebracht worden. Da, so Rojek, habe "der DFB aus Frankfurt" eben nicht die gleichen Vorrausetzungen. Die offiziellen Aktionen würden bei den Fans nicht so gut ankommen. Die fühlten sich nicht ernst genommen, wenn ihnen von "außen" und von "oben" richtiges Verhalten vorgeschrieben würde.

Autor: Dirk Kaufmann

Redaktion: Kay-Alexander Scholz