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Feind hört mit

Victoria von Gottberg5. November 2008

Die kremlnahe Jugendorganisation "Naschi" hat jüngst bei einer Demonstration Kürbisse präsentiert, auf denen Namen angeblicher Opfer der US-Politik standen. Antiwestliche Tendenzen haben in Russland eine lange Tradition.

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Fernschreiber Moskau
Bild: DW

"Fasse Dich kurz – Feind hört mit!". – Mit diesem markanten Spruch forderten die Sowjets die Bürger während des Zweiten Weltkrieges auf, wenig zu sprechen. Die Gefahr von Spionen war groß. Spione? Aus dem damals feindlichen Deutschen Reich, aus dem anderen System, aus dem Westen.

Noch heute wird das Feindbild Westen in Russland groß geschrieben. Nach der jüngsten Umfrage der "Stiftung öffentliche Meinung" benennen die Hälfte der Russen den Westen als "Feind Russlands, der seine Probleme auf Kosten Russlands lösen und den russischen Interessen schaden will". Da wundert es nicht, dass knapp 80 Prozent das Verhältnis Russlands zu den USA als negativ, feindselig oder angespannt ansehen und fast 40 Prozent die Beziehungen zur EU als schlecht werten.

Widerstand gegen westlichen Einfluss

Das antiwestliche Denken hat eine lange Tradition, wie kürzlich auch eine deutsche Studie aufgezeigt hat: Begonnen hat es, als Peter der Große im 17. Jahrhundert rigorose Reformen in Verwaltung, Militär und Lebensstil einführte. Die Reformen stießen aber auf zähen Widerstand: Die russischen Adeligen, Kaufleute und Bauern wollten ihre langen Bärte nicht abschneiden, ihre landesüblichen Kaftane nicht gegen französische Hofmode eintauschen und erst recht nicht in die neue Hauptstadt Sankt Petersburg ziehen. Der Protest gegen die westlichen Reformen gipfelte darin, dass die Strelizen, die eigenständige Palastgarde des Kremls, gewalttätig gegen alle Ausländer vorgingen.

In der späteren Zarenzeit schmolz das antiwestliche Denken zwar dahin, dafür kam es in der Sowjetzeit umso dicker. Die Angst vor inneren und äußeren Feinden, vor Dissidenten und Anhängern der Monarchie ließ die Sowjets antiwestliche Feindbilder schüren.

Russische Regierung verbreitet antiwestliches Denken

Und so fiel es Wladimir Putin nicht schwer, nach seinem Machtantritt im Jahr 2000 auf antiwestliche Vorurteile zurückzugreifen und sie zu einem neuen Feindbild zu formen. Ziel: die russische Elite und Bevölkerung von der Notwendigkeit und Richtigkeit der eigenen – also putinschen – Politik zu überzeugen. Politikexperten erkennen vier Botschaften, die dazu dienen, das Feindbild Westen zu verbreiten.

Erstens, der Westen sei neidisch auf die russischen Ressourcen Öl und Gas. Zweitens, der Westen wolle mit Hilfe von NGOs in Russland eine "farbige" Revolution wie in Georgien oder der Ukraine in Gang bringen. Drittens, andere gesellschaftliche und politische Modelle werden als Bedrohung des eigenen Systems dargestellt, wogegen Russland sich nur durch bestimmte außenpolitische Maßnahmen schützen könne. Und viertens, Kräfte wie interne Widersacher und Oppositionsparteien würden sich verbünden, um Ziele zu erreichen, die gegen die Interessen Russlands gerichtet seien.

Feinde also auf allen Fronten. Der Georgienkrieg hat es zuletzt gezeigt: Auch der neue Präsident Dmitri Medwedew will auf die tief sitzenden Feindbilder bisher nicht verzichten. Denn, psst ... “Fasse Dich kurz – Feind hört mit!”