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Der Flautenkandidat

Udo Bauer, Washington24. Juni 2004

Die Bushregierung rutscht von einem Skandal in den nächsten, die Beliebtheit des Präsidenten ist an einem historischen Tief angelangt. John Kerry aber kann davon nicht profitieren.

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Es ist eine politische Binsenweisheit in Washington, dass im Wahlkampf der amtierende Präsident gegenüber einem weniger bekannten Herausforderer einen großen Startvorteil hat: Über jeden politischen Auftritt des Präsidenten wird intensiv in der Presse und im Fernsehen live berichtet, und über die meisten seiner Wahlkampfauftritte auch.

Der Gegenkandidat hat es da schon wesentlich schwerer, die Aufmerksamkeit der Medien zu erregen. In diesem Wahljahr aber hat der Herausforderer ungleich bessere Karten als sonst: Fast täglich kommen neue Skandale und Skandälchen diverser Bush-Minister an die Öffentlichkeit, die Regierung schwächelt sichtlich, muss erstmals Fehler einräumen und außenpolitische Zugeständnisse machen wie im UN-Sicherheitsrat in der Frage der Irakresolution und hinsichtlich der Immunität von US-Bürgern vor dem Internationalen Strafgerichtshof.

Unfähig und flachbrüstig

Eine Steilvorlage nach der nächsten für den demokratischen Herausforderer. Doch Mittelstürmer Kerry – alleine vor dem gegnerischen Tor – kann keine Torchance verwerten. Um beim EM-Jargon zu bleiben: Mit einer solchen Leistung schafft man es noch nicht mal ins Viertelfinale. Viele demokratische Parteifreunde in Washington können sich von daher nur wundern ob soviel politischer Flachbrüstigkeit: Warum, so fragt man sich frustriert, läuft ihr Spitzenkandidat den Spitzenereignissen immer nur hinterher? Und warum ist er so notorisch vom Glück verlassen?

Glücklos und ungeschickt

Ein Beispiel aus dieser Woche: Am Dienstag (22.6.) hatte John Kerry mehrere Wahlkampfauftritte an der Westküste abgesagt, um an einer Abstimmung im Senat über die Gesundheitsversorgung von Kriegsveteranen teilnehmen zu können. Dieses demokratische Gesetzesvorhaben ist ein wichtiger Bestandteil seiner Kampagne. Zu Kerrys Stimmabgabe aber kam es nicht, weil die republikanische Mehrheit im Senat mit einem parlamentarischen Trick die Abstimmung vertagen ließ. Klassisch ausgebremst! Kerry nutzte die Zeit auf dem Kapitol zum Zwiegespräch mit mehreren prominenten Senatorenkollegen.

Ein Gespräch mit seinem früheren innerparteilichen Gegenkandidaten John Edwards heizte erneut die Diskussion darüber an, ob der nicht vielleicht ein guter Vizepräsidentschaftskandidat sei – das wäre für sich genommen einmal ausnahmsweise eine schöne Schlagzeile gewesen. Gleichzeitig wurde Kerry aber auch bei einem Gedankenaustausch mit dem republikanischen Einzelgänger John McCain erwischt. Der Vietnamveteran ist ein enger persönlicher Freund des Kandidaten, hatte aber ein Angebot Kerrys, sein Vize zu werden schon zwei Wochen zuvor abgelehnt. Negativschlagzeile aufgefrischt - wieder ein Schuss in den Ofen!


Plattfuß und Flaute


Die Unfähigkeit von Kerry, endlich zu dieser wichtigen Vize-Entscheidung zu kommen, schadet ihm schon jetzt und befördert sein Image als entscheidungsschwacher Mensch. Der Vorstoß vor einigen Wochen, seine Kandidatur erst nach dem Parteitag in Boston offiziell bestätigen zu lassen, wurde, weil völlig lächerlich, zum Rohrkrepierer. Wer jetzt noch glaubt, dass Bill Clinton Parteifreund Kerry im Wahlkampf helfen kann, der hat nichts verstanden.

Den US-Demokraten wird angesichts des charismatischen Ex-Präsidenten vielmehr bewusst werden, was ihrem jetzigen Hoffnungsträger fehlt. John Kerry gelingt einfach gar nichts, noch nicht mal in seiner knapp bemessenen freien Zeit: Ein Power-Ausflug mit dem Rennrad scheiterte – an einem platten Reifen. Ein spektakuläres Kite-Surfen (Drachensurfen) im Atlantik musste ebenfalls ausfallen – Flaute in Nantucket!