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Der Fluch der Bombe

Udo Bauer4. November 2003

Die Amerikaner tun sich schwer mit ihrem bekanntesten Flugzeug, der 'Enola Gay'. Wieder einmal hagelt es Kritik an einer Ausstellung des silberglänzenden Hiroshima-Bombers. Udo Bauer berichtet.

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Diesmal sind es mehr als hundert liberale Intellektuelle, die der Smithsonian Institution Ärger machen mit einer Petition. Darin wird die renommierte Wissenschafts- und Kulturstiftung heftig kritisiert, weil sie mit keinem Wort die Atombombenmission des Fliegers erwähnt. Seit einigen Monaten ist die 'Enola Gay' zusammen mit anderen Kriegsmaschinen in der Nähe des Washingtoner Flughafens Dulles zu sehen. Die Boeing B-29 wird dort dargestellt als "das größte und technologisch ausgereifteste Fluggerät seiner Zeit". Von Hiroshima kein Wort.

Alles gekrittelt?

Einer der Kritiker, der Kulturhistoriker David Nasaw, sagte dieser Tage der "New York Times" dazu, man stelle doch auch kein Sklavenschiff aus nur mit dem Verweis auf seine fortgeschrittene Technologie. Nasaw und seine Mitstreiter wollen den historischen Kontext erwähnt wissen, damit Diskussionen stattfinden über die historisch umstrittene Präsidentenentscheidung von 1945. Andere sprechen von "Lüge durch Weglassen", wieder andere kritisieren die Prominenz der Ausstellung zu einer Zeit, in der die USA mit ihrem ersten Präventivkrieg Schlagzeilen macht. Noch hält sich die Smithsonian Institution bedeckt, kein Kommentar zu den Vorwürfen.

Alles geschönt?

Schon einmal hatte sich die staatlich geförderte Stiftung mit der 'Enola Gay', die übrigens nach der Mutter ihres ersten Piloten benannt ist, die Finger verbrannt. 1994 war sie ausgestellt im Washingtoner "Air and Space Museum", einem der populärsten Smithsonian-Ableger. Damals hatte man sich intensiv mit der Hiroshima-Frage auseinander gesetzt, für manchen Kriegsveteranen wohl auch etwas zu intensiv. Sie kritisierten die Aussage, dass ohne den Einsatz der Atombomben 30.000 bis 50.000 mehr amerikanische Soldaten im Krieg gegen Japan gefallen wären - sprich: falls die US-Truppen auf konventionelle Weise Japan erobert hätten. Manche kritisierten damals, dass der Museumsbesucher unter Umständen sogar den Eindruck gewinnen könnte, dass "die Japaner Opfer amerikanischer Aggression waren".

Alles heruntergespielt?

Daraufhin hat das Museum seine Schätzung der durch die Bomben geretteten amerikanischen GIs auf eine Million erhöht, woraufhin sich Historiker über eine "historische Säuberung" beschwerten. Diese Diskussion dauerte über ein Jahr, als Resultat wurde die Ausstellung verkleinert und der Museumsdirektor trat zurück. Kaum eine Stimme erhob sich damals wie heute, um die japanische Position zum Thema Hiroshima und Nagasaki deutlich zu machen. Ob japanische Touristen sich vielleicht mit gemischten Gefühlen die Ausstellung ansehen, das interessiert im "Land der Tapferen" so gut wie niemanden. 'Enola Gay', das klingt wie Kinderspielzeug. Die Hiroshima-Bombe hieß übrigens 'Little Boy' – und hat allein in Hiroshima auf einen Schlag 200.000 Menschen getötet und 100.000 verletzt.

Vielleicht wäre auf eine Ausstellung auch einmal ein Satz des Gedenkens für diese unschuldigen Kriegsopfer angebracht.