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Der Gas-Coup der RWE

Detlev Karg18. Dezember 2001

Konkurrenten ausgestochen, strategische Position gestärkt, Kundenbasis mehr als verdoppelt: Die Rheinisch Westfälische Elektrizitätswerk AG (RWE) macht sich fit für den liberalisierten Gasmarkt.

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Noch im Angebot: Das ungeliebte Atomkraftwerk TemelinBild: AP

Zufrieden zeigte sich der Energiekonzern aus Essen nach dem Zuschlag durch die tschechische Regierung. Mit rund 2,6 Millionen Endkunden und einem Wachstum von vier Prozent jährlich sei Tschechien einer der dynamischsten Erdgasmärkte Europas, teilte das Unternehmen mit. Von dem Kauf erwartet RWE ab dem Jahr 2007 Kosteneinsparungen von 100 Millionen Euro im Jahr. Bei der Opposition in Tschechien stieß die Entscheidung des sozialdemokratischen Kabinetts auf ein geteiltes Echo. Während die konservative Partei ODS es als Erfolg bewertete, dass RWE mehr als erwartet bezahlt hatte, nannten die Kommunisten die Privatisierung des Energiesektors eine "Katastrophe".

Starke europäische Position für RWE

Der Essener RWE-Konzern hat im Wettbewerb um die Vormachtstellung auf dem europäischen Gasmarkt mit dem milliardenschweren Kauf des tschechischen Ferngasbetreibers Transgas nach den Worten seines Vorstandschefs Dietmar Kuhnt Boden gut gemacht. "Mit Transgas gelingt uns, ähnlich wie durch die Akquisition von Thames Water im internationalen Wassergeschäft, ein Sprung in die Spitzenliga der internationalen Gasversorger" sagte er am Montag (17.12.2001) in Essen. Wichtig für RWE: Die Transgas verfügt über eine der Haupt-Transitpipelines von russischem Gas, durch die zurzeit 20 Prozent des westeuropäischen Gasbedarfs transportiert werden. "Wir steigen von Position Nummer sieben zu den Top fünf der Gasunternehmen auf, beim Endzugang sind wir die neue Nummer vier", sagte Kuhnt weiter. Vier Millionen Endkunden beliefert RWE nun. Das Endkundengeschäft indes wird zunehmend wichtiger für die großen Gasunternehmen, wenn sie von der endgültigen Liberalisierung des Gasmarkts im Jahr 2005 profitieren wollen. Dann sollen Endkunden, wie bereits heute bei Strom und Telefon, ihren Anbieter frei wählen. So will es zumindest die EU. Sie sind damit nicht mehr, wie heute in Deutschland üblich, auf die bestehenden Verträge mit kommunalen Energieversorgern und anderen Energieunternehmen angewiesen. Bei den Pipelinebetreibern erreicht RWE nach der französischen Gaz de France Platz zwei in Europa.

Das Gas aus Russland

RWE werde nach dem Kauf von nicht nur in Tschechien, sondern auch im europäischen Gastransitgeschäft zwischen Russland und Westeuropa eine Schlüsselposition besetzen, sagte Dietmar Kuhnt. Von den 73 Milliarden Kubikmetern, die die russische Gesellschaft Gazprom in die EU exportiere, flössen etwas weniger als die Hälfte durch die Transgas-Pipelines. Dadurch verdient der Konzern an den lukrativen Durchleitungsgebühren. Nicht zuletzt deshalb hatten sich Ruhrgas und Gaz de France um den Kauf der tschechischen Gesellschaft beworben, sind sie doch größte Abnehmer des russischen Gases. Nun müssen sie an die Konkurrenten aus Essen Geld für die Durchleitung zahlen.

Sinnvolle Ergänzung des bestehenden Geschäfts

Wirtschaftsanalysten bewerteten die Übernahme der Transgas durchweg positiv. Matthias Heck vom Bankhaus Salomon Oppenheim nannte das Geschäft "strategisch sehr sinnvoll". Auch die Branchenexperten von Helaba Trust urteilten, Transgas sei bei den Gaslieferungen zwischen Russland und Westeuropa ein wichtiger Brückenkopf. Die Infrastruktur des Unternehmens sei gut. RWE werde deshalb in den kommenden Jahren kaum in die tschechische Firma investieren müssen. Zur nationalen Gesellschaft Transgas kommen noch die Beteiligungen an den acht tschechischen Regionalgesellschaften. Bei sechs von Ihnen hält nun die RWE die Mehrheit. Alle Gesellschaften zusammen erwirtschafteten im Geschäftsjahr 2000 einen Umsatz von 2,54 Milliarden Euro.

Größte Privatisierung in der Geschichte Tschechiens

Neben dem Gasgeschäft verkaufte die tschechische Regierung auch eine Mehrheitsbeteiligung an der staatlichen Raffinerie-Holding Unipetrol an die tschechische Agrofert Holding für rund 360 Millionen Euro. Der mit Spannung erwartete Verkauf des Konzerns CEZ, der unter anderem das umstrittene Atomkraftwerk Temelin in Südböhmen betreibt, wurde dagegen verschoben. Die größten Rivalen, die französische EdF und die italienische Enel, müssten bis 7. Januar 2002 neue Angebote vorlegen, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums. Die Prager Regierung zeigte sich unzufrieden mit den bisherigen Angeboten, die deutlich unter den Erwartungen lagen. Enel etwa bietet für CEZ etwa 7,7 Milliarden Euro. Die Regierung hofft jedoch auf einen Erlös von mindestens 11,4 Milliarden Euro. Der Grund für den Preispoker liegt in den Kraftwerken selber. Das störanfällige Kraftwerk Temelin müsste modernisiert werden, und rund drei Viertel der tschechischen Energie kommen aus teilweise veralteten Kohlekraftwerken. Für diese will die Regierung in Prag jedoch eine Bestandsgarantie.