1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Der General lässt wählen

Thomas Bärthlein11. Mai 2002

Drei Jahre nach seinem Putsch will sich Pakistans Machthaber Pervez Musharraf am Dienstag (30.4.) vom Volk für fünf Jahre als Präsident bestätigen lassen. Das Militär in Pakistan wird wieder einmal zum Hüter des Staates.

https://p.dw.com/p/28Xo
In der pakistanischen Tradition aus Diktatur und Demokratie: MusharrafBild: AP

Als Generalstabschef Pervez Musharraf 1999 die Macht in Islamabad an sich riss, und damit seiner eigenen Absetzung durch den Premierminister Nawaz Sharif zuvorkam, begrüßte eine Mehrheit der Pakistaner das Ende der Demokratie. Die unter beiden großen Parteien weit verbreitete Korruption war der Hauptgrund. Wenn er in einem Referendum am Dienstag für weitere fünf Jahre zum Präsidenten Pakistans gewählt wird, dürfte der schlechte Ruf der zivilen Politiker wieder ein entscheidender Faktor sein. Alle ernsthaften Alternativen zu Musharraf sind diskreditiert.

Tradition der Militärregierungen

In der 55-jährigen Geschichte Pakistans haben Militärs über die Hälfte der Zeit die Regierungen gestellt. Und auch in Zukunft werden sie ein gewichtiges Wort mitzureden haben. Musharraf hatte zwar bereits unmittelbar nach seinem Putsch die Rückkehr zur Demokratie versprochen. Inzwischen zeigt sich allerdings, dass er die Macht der zivilen Politiker und vor allem der herkömmlichen Parteien dabei stark einschränken wird.
Ein Beispiel ist der "Nationale Sicherheitsrat", über den die Militärs auch in Zukunft die Außen- und Verteidigungspolitik kontrollieren wollen. Musharraf hat außerdem klar gemacht, dass er für keinen der zivilen Premierminister der vergangenen Jahre einen Platz bei den Parlamentswahlen im Oktober sieht: Weder für Nawaz Sharif von der "Pakistan Muslim League" (PML) noch für Benazir Bhutto von der "Pakistan People's Party" (PPP). Die Wahlbestimmungen, das zeichnet sich bereits ab, werden so gehalten sein, dass die beiden Exilanten nicht antreten können.

Schließlich ist auch das Referendum ein weiterer Schritt, mit dem Musharraf die zivilen Politiker in die Schranken weisen will. Erst vor vier Wochen beschloss das Kabinett die Volksabstimmung, mit der sich Musharraf das Präsidentenamt sichern will – obwohl die Verfassung vorsieht, dass der Präsident, ähnlich wie in Deutschland, von einem parlamentarischen Gremium gewählt wird.

Stabilität in einem unruhigen Land

Musharraf hat gewisse Erfolge zu verbuchen und sieht deshalb dem Referendum optimistisch entgegen: Die innere Sicherheitslage ist, trotz einiger spektakulärer Anschläge auch in den vergangenen Wochen, besser als vor drei Jahren. Die Wirtschaft profitiert vom erneuten Bündnis mit den USA: Während vor dem 11. September Sanktionen des Westens und die hohen Auslandsschulden das Land an den Rand des Ruins getrieben hatten, zeigen zur Zeit alle Indikatoren nach oben: Die Börse in Karachi erlebt einen Boom, getrieben von in- wie ausländischer Nachfrage, die ausländischen Direktinvestitionen im zweiten Halbjahr 2001 lagen um 39 Prozent über dem Vorjahreswert, die Rupie ist gegenüber dem Dollar gestiegen.
Umschuldungen verhindern allerdings nicht, dass Pakistan nach wie vor jährlich 6-7 Milliarden Dollar an Schuldendienst ins Ausland abführen muss, das entspricht zwei Drittel seiner Exporteinnahmen. Der massive Truppenaufmarsch an der indisch-pakistanischen Grenze verschlingt Unsummen. Und strukturelle Reformen, wie die Ausweitung der Steuerbasis und die Privatisierung von Staatsunternehmen, sind auch unter Musharraf kaum vorangekommen. Kalkuliert man die aktuelle politische Unsicherheit mit ein, dürfte für dieses Jahr kaum ein Wirtschaftswachstum von über drei Prozent zu erwarten sein.

Vor allem hat der General aber den leichtsinnigen Pakt von Teilen des Geheimdienstes und der Armee mit radikal-islamistischen Kräften nach dem 11. September beendet, wenn auch auf Druck aus dem Ausland. Die Unterstützer der Taliban in Afghanistan wie auch der Separatisten im von Indien kontrollierten Kaschmir-Tal hatten sich in Pakistan zum Staat im Staat entwickelt.

Militär als Gralshüter des Staates

Beobachter spekulieren immer wieder, dass Musharraf eine ähnliche Rolle für die pakistanische Armee vorschwebt wie in der Türkei – als eine Art Schutzmacht des säkularen Staatswesens vor der islamistischen Bedrohung. Der Vergleich hinkt allerdings gewaltig, weil eben gerade im Sicherheitsapparat Sympathie für die Islamisten vor dem 11. September weit verbreitet war, während diese bei demokratischen Wahlen nie über den Status einer Splitterpartei hinauskamen.

Die Opposition in Pakistan zieht denn auch Musharrafs Behauptung in Zweifel, die Stabilität des Landes hänge alleine an ihm. Dieses Argument sei nicht neu, wie Mushahid Hussein von der Pakistan Muslim League sagt: "Alle Militärherrscher in Pakistan halten sich für Hüter des Familiensilbers. Sie denken, sie stünden über der Verfassung, seien Männer des Schicksals, für die das Schicksal des Landes von ihrem Verbleib im Amt abhängt. Musharraf hat bisher immer behauptet, er sei anders als die Putschisten vor ihm. Aber jetzt hat es den Anschein, dass er, um an der Macht zu bleiben, den gleichen Weg eingeschlagen wie seine Vorgänger vom Militär, wie General Zia ul-Haq und Feldmarschall Ayub Khan."

Das Volk unterstützt die Putschisten

Schon Zia und Ayub Khan hatten Volksabstimmungen abgehalten, um ihren Putsch nachträglich zu legitimieren. Die politische Situation in Pakistan zeichnet sich auch unter Musharraf durch ein für Außenstehende immer wieder überraschendes Nebeneinander von demokratischen und diktatorischen Elementen aus.

So ist trotz Militärherrschaft eine offene und teils harsche Kritik an der Regierung durch die Presse durchaus möglich. Die Opposition konnte auch vor dem Obersten Gericht gegen Musharrafs Referendum Klage einreichen. Allerdings entschied das Gericht am Samstag (27.4.), das Referendum sei verfassungsgemäß.

Die Opposition hat trotzdem zu einem Stimmboykott aufgerufen. Somit ist die entscheidende Frage nicht, ob Musharraf eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen bekommt, sondern wie hoch die Wahlbeteiligung ist.