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10. Weltkongress der Friedensnobelpreisträger

12. November 2009

Zwei Tage lang diskutierten in Berlin 18 Nobelpreisträger über die Zukunft der Welt. Ihr Aufruf: Die nationalen, internationalen, persönlichen und institutionellen Mauern müssen niedergerissen werden.

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Die Nobelpreisträger im Roten Rathaus (Foto: DW)
So viel guter Wille ist selten an einem Ort vereint: Der 10. Weltkongress der FriedesnnobelpreisträgerBild: DW

Es sind die Mauern, die heute zwischen den Menschen stehen, die die Friedensnobelpreisträger anlässlich des 20. Jahrestages der friedlichen Revolution 1989 nach Berlin führten. Auf dem 10. Weltkongress der Friedensnobelpreisträger (10./11.11.2009) versammelten sich viele berühmte "Weltverbesserer" und diskutierten über die Mauern zwischen Arm und Reich, zwischen einer gesunden und einer kranken Natur, zwischen nuklearer Zerstörung und Frieden und zwischen Toleranz und Intoleranz.

Ein Stelldichein der Weltverbesserung

Der ehemalige sowjetische Staatspraesident Michail Gorbatschow (Rechts), der ehemalige polnische Praesident Lech Walesa (Mitte) und der ehemalige südafrikanische Praesident Frederik W. de Klerk (links) (Foto: AP)
Der ehemalige sowjetische Staatspraesident Michail Gorbatschow (r.), der ehemalige polnische Präsident Lech Walesa (M.) und der ehemalige südafrikanische Praesident Frederik W. de Klerk (l.)Bild: AP

18 Friedensnobelpreisträger waren angereist, darunter Größen wie Michael Gorbatschow (1990), Lech Walesa (1983) oder Frederik Willem De Klerk (1993 mit Nelson Mandela). Aber auch weitgehend unbekannte Akteure, die verborgen auf dem internationalen Parkett ihren Dienst an einer besseren Weltgesellschaft tun, waren dabei: Beispielsweise Vertreter des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (1963) oder der Vereinten Nationen (letztmalig 2001). Gorbatschow hatte eine herausgehobene Rolle, nicht nur weil die Deutschen ihm für seinen Beitrag zur Einheit besonders dankbar waren, sondern auch, weil seine Stiftung 1999 das erste Treffen dieser Art organisierte.

Die Mauern zwischen Arm und Reich müssen fallen

Jährlich trifft sich seither dieses Orakel des Weltfriedens, dieses Mal im Roten Rathaus in Berlin. In einem bis auf den letzten Sitz gefüllten Prunksaal saßen auch zahlreiche Jugenddelegierte von Schulen und Universitäten. Muhammad Yunus, Friedensnobelpreisträger 2006, bekam tosenden Applaus, als er von seinen Plänen erzählte, bis 2030 der Armut auf der Welt ein Museum bauen zu wollen. Die Begeisterung, mit der er seinen Arbeitsplan für eine bessere Zukunft ausbreitete, steckte an: "Es ist letztlich nicht die Regierung, die einen Menschen aus der Armut holt. Nein, es sind die Fähigkeiten jedes Einzelnen, und ein faires Umfeld, das ihm einen solchen Aufstieg erlaubt." Damit dieser Aufstieg gelingen kann, bietet die von Yunus gegründete Grameen Bank Mikrokredite an, die überwiegend Frauen zur Aufnahme einer selbstständigen Arbeit verhelfen. Soziale Ein-Personen-Unternehmungen nennt Yunus das - und verbindet damit seine Kernbotschaft: Nicht Almosen würden helfen, die Armut auszulöschen, sondern ein faires internationales Finanzsystem.

"Abrüstung ist möglich!"

Transparente der Veranstaltung am Roten Rathaus (Foto: DW)
Transparente der Veranstaltung am Roten RathausBild: DW

Der einstige Kreml-Chef und Reformer Michael Gorbatschow ließ keinen Zweifel daran, warum er zu dem Treffen gekommen war. Wie 1989 gebe es jetzt wieder eine "historische Chance", dieses Mal für die nukleare Abrüstung. "Abrüstung ist möglich!", rief er ins Publikum. "Alle Bedenken und alle scheinbaren Schwierigkeiten auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt, das sind alles nur vorgeschobene Argumente." Jonathan Granoff, Präsident des Global Security Instituts, ließ sich davon inspirieren. "Das sind doch die Realisten. Es ist realistisch dem Frieden, der Liebe, dem Mitgefühl und der Gerechtigkeit zu folgen." Einig war sich das Panel vor allem über einen Mauerdurchbruch: Es werde noch immer viel zu viel staatliches Geld in atomaren Rüstungsgeschäften verschwendet.

"Eure Generation hat den Klimawandel verursacht"

Ein Thema waren natürlich auch die festgefahrenen Vorverhandlungen auf dem Weg zu einem neuen Klimaabkommen in Kopenhagen. Ein Jungdelegierter ließ dabei seinem ganzen Frust freien Lauf: "Der Klimawandel wurde doch von der heutigen Erwachsenengeneration verursacht. Deshalb erwarten wir Jugendliche auch, dass Ihr dieses Problem selbst löst." Tosender Applaus - und eine verständnisvolle Antwort des Friedensnobelpreisträgers von 2007, Mohan Munasinghe. Der Klimaforscher hatte den Preis zusammen mit dem IPCC, dem Intergovernmental Panel on Climate Change, für umfassende Erkenntnisse über die von Menschen verursachte Klimaveränderung erhalten. Die Grundlagen des Wirtschaftens müssten sich ändern, sagte Munasinghe: "Nicht mehr nur der schnelle Einkauf muss zählen, sondern ein nachhaltiges Geschäft muss sowohl Käufer wie Verkäufer am Herzen liegen."

Willem F. de Klerk in einem Kamera-Monitor (Foto: DW)
Im Rampenlicht: Willem F. de KlerkBild: DW

Die Konferenz verabschiedete am Ende eine "Charta für eine Welt gegen Gewalt", ein Dokument, das nicht nur die Diskussionen in Berlin zusammenfasst, sondern einen Diskussionsprozess der vergangenen Jahre abschließt. Eine gerechtere Teilhabe der Schwellen- und Entwicklungsländer an den globalen Regierungsstrukturen wie UN, Weltbank oder Internationaler Währungsfonds wird dort gefordert, ebenso ein substanzielles Verschrotten aller Atomwaffen. Nobelpreisträger de Klerk ist indes selbst skeptisch, ob die wiederkehrenden, offiziellen Verlautbarungen das Papier wirklich Wert sind. "Wir kommen zu bedeutungsschweren Schlussfolgerungen und packen sie in sehr stimmige Dokumente, die der Presse übergeben werden: Meistens bleibt davon wenig." De Klerk hebt beide Hände und lächelt. Sehr bekümmert wirkt er nicht.

Autor: Richard A. Fuchs/ Heiner Kiesel

Redaktion: Dеnnis Stutе