1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Der globalisierte Traum

Marcus Bösch7. Februar 2003

Deutschland sucht den Superstar. Und alle machen mit. Show-Erfinder Simon Fuller sonnt sich derweil in Erfolg und kalifornischer Sonne. Bald wird es seine Sendung weltweit geben.

https://p.dw.com/p/3EQO
Es kann nur eine(n) gebenBild: AP

Gracia ist draußen. Und ab jetzt geht einiges schief. Kandidat Daniel sackt zu Boden, bricht heulend zusammen. "Nein, nein! Nicht Gracia", schreit er. Das Studiopublikum rebelliert, buht lautstark. "Ihr wollt uns wohl verarschen", brüllen einige Saalzuschauer. Das gemeinhin muntere Moderatorenteam ist heillos überfordert. "Da mach ich nicht mehr mit", erklärt Ex-Modell Michelle Hunziker gequält. Ihr Kollege, Vorabendschauspieler Carsten Spengemann, sagt gar nichts mehr. Dann ist alles vorbei. Es ist halb ein Uhr nachts. Sonntag, der 2. Februar 2003. Es schneit. Elf Millionen Zuschauer sitzen staunend vor dem Bildschirm.

Deutschland sucht den Superstar. Und gut vier Wochen vor dem definitiven Finale des Fernseh-Gesangswettbewerbs auf RTL scheint einiges aus dem Ruder zu laufen. Verwirrte Fans schicken Morddrohungen. Der Moderator steht unter Diebstahlverdacht. Und die Schreiberlinge im Land zitieren Kronzeugen wie Adorno und Sylvester Stallone, um dem neuen Medien-Phänomen gerecht zu werden. Die anderen machen einfach mit und haben sich längst entschieden: Für den verrückten Daniel zum Beispiel, der Deutschland "geil" findet, oder für Juliette mit ihrer süßen Kartoffelnase, für Alexander, der ohne weiteres jeden Ralf–Schumacher-Look-alike-Contest gewinnen würde, oder für die kleine Vanessa, die niemand in der Jury so recht mag.

Bis ans Ende der Welt

Ab dem 8. März 2003 wird einer der vier verbleibenden Kandidaten Superstar sein. Und die Herren der RTL-Group werden sich die Hände reiben. Denn natürlich geht es hier nicht primär um Sangesfreude, sondern um Geld. Um viel Geld. Allein in diesem Jahr rechnet der Chef der RTL-Group, Didier Bellens, mit Erlösen von mehr als 100 Millionen Euro aus der Show. Und damit ist das Ende der Fahnenstange für ihn noch lange nicht erreicht. "2003 wird sich die Show in der ganzen Welt ausbreiten", sagte Bellens im Interview mit der "Financial Times Deutschland". Der Mann muss es wissen, schließlich verhandelt er im Moment mit Fernsehstationen in 51 Ländern der Erde. Die bereits international erprobte Talentshow trifft im Moment alle Nerven und soll schnell unter die Völker gebracht werden.

Zu verdanken haben wir den globalen Hype um die "Superstars" Simon Fuller. Der Musikproduzent, Manager und Unternehmer schuf mit "Idols" das Konzept für alle internationalen Gesangswettbewerbe à la "Deutschland sucht den Superstar". Bisher beglückte er damit Engländer, Amerikaner, Polen, Norweger und Südafrikaner. Die Folge waren sensationelle Quoten - außerdem zeitweilig zusammengebrochene Telefonnetze und eine Ex-Cocktail-Kellnerin aus Texas, die alle Rekorde der amerikanischen Billboard-Single-Charts bricht. Fullers Vermögen wird nach dem erfolgreichen Coup auf mehrere hundert Millionen Dollar geschätzt. Tendenz steigend - schließlich ist Fuller immer prozentual an den Gewinnen beteiligt.

Bel Air vs. Köln-Porz

Im Sommer 2002 ist der Unternehmer mit dem Wahlspruch "Hol alles raus, was geht" nach Los Angeles gezogen. Gut gebräunt dürfte er die Vormittage in seiner Villa in Bel Air verbringen. Die verbleibenden vier deutschen Superstarkandidaten dürfen auch in einer Villa leben. Allerdings steht die in Köln-Porz und stellt sich bei näherer Betrachtung als ziemlich schmuckloser Bau dar. Und in spätestens vier Wochen muss auch der letzte da raus sein.