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Der gute Milizionär von Krasnodar

Stephan Hille19. Oktober 2004

Polizisten heißen in Russland Milizionäre. Ihr Ruf könnte nicht schlechter sein: Sie gelten als rüpelhaft und korrupt. Ein Miliz-Chef aus der Provinz will das ändern und den Milizionären gutes Benehmen beibringen.

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Stephan Hille

Die Milizionäre gehören in Russland zu den korruptesten Staatsangestellten überhaupt. Sie sind die Nahtstelle, an der fast jeder, der in Russland lebt, früher oder später mit Bestechung in Berührung kommt. Hat man sich beispielsweise eines leichten Verstoßes gegen die Verkehrsregeln schuldig gemacht, so bevorzugt beinahe jeder Verkehrspolizist ein kleines "Handgeld" anstelle eines offiziellen Strafgeldes, denn dafür muss ein Protokoll aufgenommen und der Führerschein abgenommen werden. Der Verkehrssünder erhält dann ein Ersatzpapier und einen Einzahlschein. Mit dem geht er zur Bank und erhält erst bei Vorlage der Quittung den richtigen Führerschein zurück. Ein langwieriger und mühsamer Weg. Das weiß jeder Milizionär und bietet daher meist von sich aus an, das Problem rasch und "unbürokratisch" zu regeln.

Berufsstand in Verruf

Die Wurzel dieses Grundübels ist die lausige Bezahlung der Ordnungshüter und ihr niedriger (Aus-) Bildungsstand. Zu den Untugenden der Milizionäre zählen vor allem eine herzliche Unfreundlichkeit sowie ein weit verbreiteter Rassismus gegenüber allen Nichtrussen. Darunter leiden in erster Linie Kaukasier und Menschen, die aus den zentralasiatischen Republiken nach Moskau kommen. Für die Miliz sind diese Menschen die reinsten Melkkühe, da viele Schwierigkeiten haben, eine offizielle Registrierung für einen legalen Aufenthalt in Moskau zu bekommen. Da sie wegen ihrer Hautfarbe auffallen, werden sie ständig angehalten und können sich häufig nur mit einem kleinen "Handgeld" freikaufen.

Die Nachrichten und Zeitungen sind voll von Meldungen über besonders schwarze Schafe unter den Ordnungshütern, die mit irgendwelchen Ganoven oder Mitgliedern des organisierten Verbrechens gemeinsame Sache machen. Kein Wunder also, dass der Berufsstand in Russland einen überaus schlechten Ruf genießt.

Aufruf zum "philantrophischen Einsatz"

Dies will der lokale Chef der Miliz im südrussischen Krasnodar ändern. Sergej Kutscheruka, General der Miliz, hat einen Verhaltenskodex aufgestellt, der für gute Manieren unter den Ordnungshütern und einem besseren Image unter der Bevölkerung führen soll. "Merkblatt für den Mitarbeiter der Miliz über die Kultur des Benehmens" lautet der Titel des Polizisten-Knigges. Darin fordert der General der Miliz seine Untergebenen zu einem philantrophischen Einsatz bei der Ausübung ihrer Berufspflichten auf. Älteren und Blinden über die Straße zu helfen, sei eine Ehrensache, heißt es im Verhaltenskodex. Ferner gibt der Milizchef zu bedenken, dass "nicht jeder Mensch, der auf dem Bürgersteig liegt, unbedingt betrunken sein muss. Möglich, dass er krank ist und der sofortigen Hilfe bedarf".

Auch in der Freizeit soll der Milizionär sich nur von seiner besten Seite zeigen, fordert General Kutscheruka: "Es ist die Pflicht des höflichen Milizionärs, seine weibliche Begleitung nach dem gemeinsamen Theaterbesuch nach Hause zu begleiten." Klarer Fall: Der Miliz-General Kutscheruka ist ein Kavalier der alten Schule, der an das Gute im Menschen glaubt. "Nähern Sie sich jedem Bürger stets im Glauben daran, dass in ihm mehr Gutes als Schlechtes steckt. Sie werden sehen, es stimmt", so lautet seine Empfehlung.

Recht hat der Herr Kutscheruka. Jetzt muss der gute Milizionär von Krasnodar nur noch Schule machen.