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Der Heilige kommt nackt

8. März 2014

Jesus wird vom Teufel versucht. Was spektakulär klingt, ist im Grunde banal. Der Teufel bietet Jesus an, ein Machtmensch zu sein, ein Held. Aber das Heilige kommt nackt, so P. Hans Peters von der katholischen Kirche.

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Jesus in der Wüste Gemälde
Christus in der Wüste ( Iwan Nikolajewitsch Kramskoi 1837-1887)Bild: picture alliance/akg-images

„Alle Jahre wieder“ – so ist man fast versucht zu sagen, wenn am Beginn der Fastenzeit gemäß der liturgischen Leseordnung von der Versuchung Jesu durch den Teufel in der Wüste die Rede ist. Vierzig Tage lang soll Jesus in der Wüste gewesen sein, Israel vierzig Jahre in der Wüste, darum begehen wir vierzig Tage lang die Fastenzeit – und modern gesprochen um vierzig soll sich die Midlife-Crisis einstellen. Die Vierzig, sie scheint etwas zu haben, etwas Kritisches, und egal wie alt wir sind, wir haben wohl immer wieder mit dem zu tun, was sich da in der Wüste zwischen Jesus und dem Teufel abspielt. Es geht um die Auseinandersetzung mit der dunklen Seite, ja der bösen Seite in uns, bleiben doch die inneren Konflikte, Widersprüche und Auseinandersetzungen Teil eines jeden menschlichen Lebens.

Versuchung zur Macht

Die eigentliche Versuchung Jesu, die der Teufel ihm vor Augen stellt, ist, nicht ein Mensch zu sein wie wir, sondern ein Macher, einer, der alles kann, der Macht hat, jedes Problem zu lösen und der mit einer großartigen Machtdemonstration alle Menschen auf seine Seite bringt. Aber so wäre er einer der vielen Mächtigen dieser Welt geworden, und wo Mächtige sind, sind immer auch Machtlose, angewiesen auf die Macht des Mächtigen, abhängig, ausgeliefert. Jesus wählt einen anderen Weg: er will Gott sichtbar machen, einen Gott, der eben nicht ist wie die vielen Mächtigen dieser Welt, vielmehr einer, der durch Jesus „mitfühlen kann mit unserer Schwäche, weil er – Jesus - in allem versucht worden ist wie wir“, wie es die Bibel an anderer Stelle ausdrückt (Heb. 4, 15). In den Versuchungen Jesu wird ein Gott sichtbar, der mit uns und neben uns ist: „in allem wie wir“, ein Gott eben, der nicht seine Überlegenheit ausspielt, um alle unter seine Macht zu zwingen. Dieser Versuchung sind Menschen immer wieder erlegen, um so Macht über andere zu gewinnen und sie für die eigenen politischen, religiösen oder welche Zwecke auch immer einzuspannen, sie zu gebrauchen und sie damit auch zu missbrauchen.

Solidarität Gottes

Worum es zutiefst geht, mag bezeichnenderweise ein Wort aus der Tradition der Wüstenväter sagen: „der Held trägt einen Panzer, der Heilige kommt nackt“. Der Teufel will Jesus zum Helden machen, der siegreich mit jedem Problem fertig wird: Nichts kann ihn eigentlich berühren, er steht über allem und über allen. Der Held, der souverän mit jedem Problem fertig wird, der Held, der über allem und allen steht, der niemanden braucht, aber in Gefahr ist, alle zu gebrauchen, für seinen Sieg, seinen Erfolg. Und der Panzer, den er trägt, ist oft zum Panzer geworden, der andere überrollt. Jesus, der der Versuchung zur Macht in all ihren Spielarten widersteht, zeigt eine andere Möglichkeit. In ihm wird ein Gott sichtbar, der nicht über den Menschen stehen will, sondern der sich mit den Menschen solidarisiert, ein Gott mit den Menschen, ja neben den Menschen. Diese Solidarität Gottes mit uns Menschen wird der der rote Faden des ganzen Lebens Jesu sein wird, bis in den Tod hinein, wenn er nackt am Kreuz hängt.

Durchbuchstabiert in unsere alltägliche Wirklichkeit hinein, in unser Leben miteinander, würde das heißen: nebeneinander und miteinander sein, solidarisch mit unseren Mitmenschen, nicht über ihnen stehend. Der eine soll den anderen nicht beherrschen wollen, auch nicht mit seiner Wohltätigkeit. Und nicht selten gehört „mehr Mut dazu, unheroisch und einfach menschlich statt heldisch zu sein“, um ein Wort von Hermann Hesse aufzugreifen (Hermann Hesse - Lektüre für Minuten, Frankfurt 1971, S. 41). Wie war das doch: der Held kommt mit seinem Panzer, der Heilige kommt nackt. Helden hat die Welt genug, Panzer viel zu viel, Heilige kann es nie genug geben.

Pater Hans Peters SVD, Steyler Missionar, Goch
Pater Hans Peters SVDBild: DBK

Zum Autor: P. Hans Peters SVD gehört seit 1967 dem Orden der Steyler Missionare an, in dem er in vielen verschiedenen Funktionen gewirkt hat und bis heute wirkt. Dazu gehörten in der Vergangenheit zum Beispiel Jugendarbeit, die Tätigkeit als Novizenmeister, das Rektorat des Missionshauses St. Michael in Steyl (Niederlande). Seit 2008 arbeitet er der gefragte Seelsorger und Lebensberater als Wallfahrtsseelsorger in Goch am Niederrhein. Seit 1994 schreibt er regelmäßig für die christliche Familienzeitschrift „Stadt Gottes“.