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Der heilige Störtebeker von Hamburg

15. Juni 2010

Nach 400 Jahren wird Hamburg wieder ein Seeräuberprozess beschäftigen. Die Hansestadt hat darin Übung. Einer der berühmtesten Piraten hat hier der Legende nach einen gewaltsamen Tod gefunden.

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Grafik Klaus Störtebecker (Foto: DPA)
Sah Klaus Störtebeker so aus? Man weiß es nicht genauBild: picture-alliance / akg-images

Das Bild vom Piraten Klaus Störtebeker sitzt tief in der deutschen Sagen- und Erzähllandschaft. Immerhin haben die Bewohner Norddeutschlands 600 Jahre lang seine Geschichte weitererzählt, Orte und sogar Bräuche nach ihm benannt. Kinder sind mit seinen Sagen aufgewachsen. Die Vita des Piraten ist ein Lehrstück darüber, dass Tugendhaftigkeit und Gerechtigkeit nicht immer vom Staat oder vom Gesetz verteidigt werden.

Helden, Heilige und Verbrecher

Klaus Störtebekers Geschichten werden von einem Paradox begleitet. Zum einen fürchten ihn seine Zeitgenossen, er gilt als unbesiegbar. Er aber, der Pirat, sorgt sich um Schwache. "Gottes Freund und aller Welt Feind" - das steht auf einem seiner vielen Denkmäler, die in norddeutschen Städten aufgestellt sind. Genaue historische Daten über Klaus Störtebeker gibt es nicht. Aber in verschiedenen Schreiben und Urkunden des 14. Jahrhunderts taucht sein Name auf, und gepaart mit den Erzählungen entsteht ein Lebenslauf, der freilich spekulativ ist aber dennoch historische Anhaltspunkte hat.

Er trank vier Liter Alkohol

Der Name Störtebeker kommt von "stürz den Becher". Dieser Name soll die Trinkfestigkeit des Piraten bestätigen. Der Legende nach soll er vier Liter Wein, Bier oder Met getrunken haben, ohne seinen Becher abzusetzen. Tatsächlich hatte die Stadt Hamburg einen Becher aufbewahrt, und die Überlieferung sagt, dass dieses der Stürzbecher sei, eine Elle hoch. Leider fielen große Teile Hamburgs 1842 einen Stadtbrand zum Opfer, auch dieser Becher.

Geboren in Wismar und vertrieben

Rekonstruktion eines Kopfes, der Störtebeker gehört haben könnte (Foto: AP)
Rekonstruktion eines Kopfes, der Störtebeker gehört haben könnteBild: AP

Die Stadt Wismar beansprucht die Geburtsstadt Störtbekers zu sein. Sie macht das aus einem Eintrag ihres Stadtbuches aus dem Jahr 1380 fest. Zwei Männer hätten einen Bürger Wismars so windelweich geschlagen, dass der mehrerer Knochenbrüche hatte. Einer der Schläger hieß Nicolao Störtebeker. Weil die Schläger beispiellos grob waren, und weil die Wismaraner sich vor solch roher Gewalt fürchteten, bekamen die beiden Schläger Stadtverbot.

Störtebeker gehörte fortan nicht mehr in seine Heimatstadt, er gehörte der freien See. Rechnet man, dass Nicolao zur Zeit der Schlägerei ein junger Erwachsener gewesen sein muss, dürfte sein Geburtsjahr um 1360 gelegen haben.

Bündnis zwischen Königen und Piraten

Im Ostseeraum gab es um diese Zeit eine Freibeuter-Truppe, die sich Vitalienbrüder nannten. Diese Gruppe kämpfte Lebensmittelrouten frei. Störtebeker schließt sich den Vitalienbrüdern an. Solche Gruppen erhielten von den Herrschern so genante Kaperbriefet. Sie bekamen damit das Recht, Schiffe auszurauben oder zu versenken. Der Kaperer handelte dabei offiziell im Auftrag des ausstellenden Herrschers. Zugleich wurde dem Kaperfahrer Schutz in bestimmten Häfen zugesagt. Im Gegenzug musste der Kaperkapitän einen Teil der Beute, die so genannte Prise, an den Schutzherrn abführen.

Die Vitalienbrüder - Essen für Alle

Zur Zeit Störtebekers hat es in Schweden ein Herrscher-Vakuum gegeben. Die meisten Städte wurden von Dänemark verwaltet. Aber Stockholm noch nicht, die Stadt weigerte sich. Und deswegen blockierte Dänemark alle Lebensmittellieferungen nach Stockholm. Die Vitalienbrüder, mit Störtebeker an der Spitze, sollen den Weg nach Stockholm frei gekämpft haben.

Hier wird deutlich, warum der Verbrecher zum Helden wurde. Demnach war es nicht Eigennutz und Goldsucht eines Piraten, sondern das Herz für Hungernde.

Schutz unter Glocken

Störtebekerturm in Marienhafe (Foto: Flickr)
Störtebekerturm in MarienhafeBild: Gerriet / flickr

Als aber die verfeindeten Herrscher Dänemarks und der Anrainerstaaten wieder versöhnt waren, wurde auch das Treiben der Seeräuber lahm gelegt. Piraten sind in Friedenszeiten keine gern gesehen Gäste. Sie waren schutzlos und mussten sich Unterschlupf suchen. Die Vitalienbrüder trennten sich und kamen in den Städten entlang der See unter. Das gilt auch für Störtebeker. Im ostfriesischen Marienhafe soll er in der Kirche St. Marien, im wuchtig viereckigen Turm, Unterschlupf bekommen haben. Bis heute heißt der Glockenturm St. Mariens Störtebekerturm.

Marienhafe war Friesisch und die Stämme hatten in jener Zeit Häuptlinge. Keno ten Broke war Häuptling und hatte eine Tochter, sie wurde die Frau Störtebekers, so sagt es die Erzählung.

Klaus oder Johann Störtebeker

Noch eine Urkunde spricht von Störtebeker - eine vom Bayernherzog Albrecht I. Dessen Länder und Besitzungen gingen bis an die Küste Hollands - deswegen hatte er mit den Vitalienbrüdern zu tun. In einer Urkunde findet sich der Name Störtebeker, doch nicht mit dem Vornamen Klaus, sondern Johann. Historiker meinen, dass es sich dennoch um den historischen Störtebeker handeln muss. Denn er wird dort als Hauptmann bei den Vitalienbrüder geführt. Viele davon dürfte es nicht gegeben haben.

Hinrichtung und ein Wunder

Die in Hamburg enthaupteten Schädel der Seeräuber wurden im Mittelalter mit Nägeln in der Schädeldecke präsentiert (Foto: dpa)
Die in Hamburg enthaupteten Schädel der Seeräuber wurden im Mittelalter mit Nägeln in der Schädeldecke präsentiertBild: picture-alliance/dpa

Am 20. Oktober 1401 soll der Seeräuber dann endgültig in Hamburg gestellt worden sein. Kurz darauf wurde er geköpft.

Hier berichtet die Legende unglaubliches: Störtebeker hatte erbeten, dass ihm im Gehen der Kopf abgeschlagen werden soll. Seine Männer standen im Spalier vor ihm stehen. Wen Störtebekers Leib noch passieren konnte, der sollte frei sein. Die Legende sagt, elf Männer sollen es gewesen sein, die auf diese Weise ein freies Leben bekamen.

Glasfenster und eine Armenspeisung

Bei seiner Hinrichtung soll er gezittert haben - vor Gott und dem letzten Gericht. In dieser Furcht hat er dem Verdener Dom Glasfenster gestiftet, die aber im 18. Jahrhundert in einer Art Bildersturm vernichtet wurden.

Mit seinem Tod wird auch ein Verdener Brauch verbunden. Störtebeker hatte bestimmt, dass in der Fastenzeit, am Montag nach dem Sonntag Lätare, die Armen Verdens gespeist werden mit Fisch und Brot. Bis heute wird diese Speise in der Fastenzeit in Verden vor dem Rathaus ausgegeben, sie heißt Lätare-Speise, im Andenken an Klaus Störtebeker.

Autor: Carol Lupu
Redaktion: Kay-Alexander Scholz