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Der Integration verpflichtet

25. Juli 2003

- Gespräch mit dem außenpolitischen Sprecher des Fidesz Zsolt Németh

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Budapest, 25.7.2003, PESTER LLOYD, deutsch

Anlässlich der Botschafterkonferenz befragten wir Zsolt Németh über aktuelle Fragen der ungarischen Außenpolitik. Der führende Fidesz (Bund Junger Demokraten – MD)-Politiker bekleidete unter der Orbán-Regierung das Amt des Staatssekretärs im Außenministeriums und ist derzeit Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses des Parlaments.

Frage:

Sowohl unter der Orbán-Regierung, als auch unter der gegenwärtigen wurde viel über den Konsens der politischen Lager in der Außenpolitik geredet – ein Konsens zeichnet sich aber immer weniger ab...

Antwort:

Wichtig ist vor allem, dass dieser Konsens hinsichtlich der grundlegenden Ziele immer bestanden hat. Ernste Differenzen gibt es besonders, was die angewandten Methoden betrifft. Die Antall-Regierung schätzte nach der Wende die geostrategische Lage des Landes richtig ein und definierte die drei Hauptrichtungen der Außenpolitik: die euroatlantische Integration, eine aktive Nachbarschaftspolitik und die Unterstützung der Minderheitenungarn. Was den ersten Punkt betrifft, wurde im vergangenen Jahr die lange Zeit bestehende Balance zwischen den atlantischen und den europäischen Verpflichtungen des Landes aufgehoben. Die ungarische Regierung interpretierte die Erwartungen der US-Außenpolitik aber falsch. Es gab einseitige Gesten, die dann – infolge der Unterstützung des Irak-Krieges – im "Brief der Acht" an die USA kulminierten. Wir fanden vor allem das Verfahren falsch: Premier Medgyessy unterschrieb diesen Brief ohne jegliche Konsultationen mit den wichtigsten europäischen Partnern, den Deutschen und den Franzosen. In deren Augen rief dies ein Bild hervor, in dem die ostmitteleuropäische Region die Rolle einer Fünften Kolonne der USA spiele. Ich halte es für außerordentlich wichtig, dass Ungarn dieses Bild korrigiert und beweist, dass wir unseren atlantischen und europäischen Verpflichtungen balanciert nachgehen.

Frage:

Können Sie sich aber vorstellen, dass eine ungarische konservative Regierung den Aufruf Washingtons, als neues NATO-Mitglied an der Irak-Aktion teilzunehmen, zurückgewiesen hätte? Und wie ist zu verstehen, dass Ihr Hauptpartner, die CDU/CSU – im Gegensatz zu Gerhard Schröder – die USA unterstützt hat?

Antwort:

Selbstverständlich hätten wir den Aufruf zurückgewiesen. Bekanntlich haben sich zehn EU-Länder diesem Brief der Acht nicht angeschlossen. Die Stellungnahme der Deutschen ist interessant – doch man könnte auch die französischen Konservativen erwähnen, die wie wir, und nicht wie die Deutschen Stellung nahmen.

Frage:

Was unterscheidet Sie heute in den Fragen der europäischen Integration von den Regierungsparteien?

Antwort:

Die Konservativen waren von Anfang an der Integration verpflichtet. Der Großteil der Verhandlungen wurde von unserer Regierung durchgeführt, unserer Meinung nach erfolgreich. Am Schlussgipfel in Kopenhagen kam die ungarische Diplomatie allerdings in eine beschämende Situation. Premier Rasmussen verhandelte gar nicht mit Premier Medgyessy, doch gab er dies am Ende der Verhandlungen bekannt. Während die Tschechen und die Polen nach Kopenhagen gingen, um weitere finanzielle Zugeständnisse zu erlangen, hatte Ungarn das bereits im Voraus aufgegeben. Viktor Orbán hätte diese Vorgangsweise nicht akzeptiert und – wie die Tschechei und Polen – weitere Zugeständnisse erreichen können. Im Übrigen halte ich die Bemühungen der Regierung, sich selbst als pro- und die bürgerlichen Kräfte dagegen als anti-europäisch darzustellen, für sehr unglücklich.

Dieses falsche Bild konnte in der Kampagne zum Referendum verbreitet werden und es droht nun die Gefahr, dass alle anderen europäischen Fragen ebenfalls aus parteipolitischer Sicht exponiert werden. So wird es sehr schwierig sein, die Unterstützung für die europäischen Angelegenheiten in der Zukunft aufrecht zu halten.

Frage:

Gleichzeitig haben jedoch Vertreter der Regierung und der Opposition im Europäischen Konvent gut zusammengearbeitet...

Antwort:

Das ist richtig. Wir unterstützen auch die Bemühungen der Regierung, in der neuen Verfassung der EU die Rechte der Minderheiten zu verankern. Wir wollen gemeinsame Vorschläge und die Verhandlungen der Parlamentsparteien über diese Fragen sollen im August beginnen. Was die Nachbarschaftspolitik betrifft, waren für unsere Regierung viele pragmatische Initiativen sowie das Brückenbauen zu den Nachbarn kennzeichnend. Keine von diesen wurde jedoch weitergeführt, für die jetzige Regierung ist die Nachbarschaftspolitik nicht wichtig. Bei dem Gesetz über die Auslandsungarn dagegen bemüht sie sich nun, das Feuer zu löschen, das sie selbst entfacht hat. Denn in der Wahlkampagne wurden Gesetzesänderungen versprochen, die den Erwartungen der Nachbarregierungen entsprechen. Dies sorgte für Änderungen im Standpunkt der rumänischen Regierung, mit der wir die Verhandlungen schon abgeschlossen hatten. Nun stellt sie neue Forderungen.

Frage:

Wurden Rumänien und die Slowakei aber nicht von dem EU-Erweiterungskommissar Verheugen und dem Europarat – durch ihre Kritik am Gesetz – dazu ermuntert?

Antwort:

Ich bin überzeugt, dass die Kritik Günter Verheugens nicht die der EU war. In seinem Brief im Januar 2002 begrüßte er noch den Abschluss unserer Verhandlungen in dieser Frage, und im Dezember kam die Kritik. Die ungarische Regierung kann solche Stellungnahmen durchaus beeinflussen. Im Allgemeinen sind wir der Meinung, dass die Politik der Medgyessy-Regierung der guten Nachbarschaft und den Interessen der Minderheitenungarn nicht dienlich ist. Eine sich anpassende Politik kann die Spannungen nur verschärfen.

Frage:

Ihre Partei kritisierte auch die Personalpolitik des Außenministeriums aufs Schärfste...

Antwort:

Nicht grundlos. Von den 43 Hauptabteilungsleitern wurden 41 abgelöst. Für deren Nachfolger wurde die Bedingung gestellt, dass sie schon vor 1990 im Außenministerium gearbeitet haben. Zum stellvertretenden Staatssekretär konnten also nur Personen mit mindestens 20jähriger diplomatischer Praxis ernannt werden. Solche Bedingungen gibt es wohl kaum anderswo in der Welt. Und Ungarn erlebte in diesen 20 Jahren eine Wende, womit die Bedingung nur das Ziel verfolgen kann, den alten Nomenklaturkader neuerlich zu verankern. (fp)