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Der Irak zwischen Hoffnung und Terror

Peter Philipp 28. Juni 2005

Seit einem Jahr hat die Übergangsregierung formell die Macht im Irak. Trotz herber Rückschläge ist der Wille der Iraker, selbst für Sicherheit und Demokratie zu sorgen, ungebrochen, sagt Peter Philipp.

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Peter Philipp

Der irakische Ministerpräsident Ibrahim al Dschafari zeigt sich zuversichtlich: In weniger als zwei Jahren werde man im Irak Ruhe und Ordnung, vor allem aber Sicherheit, herstellen können. Und das nicht in erster Linie mit Hilfe der USA und ihrer Verbündeten, sondern aus eigener - irakischer - Kraft. Die Erklärung soll Zuversicht ausstrahlen. Auf den Tag genau ein Jahr nach der offiziellen Machtübergabe durch die USA an die Iraker könnte sie aber eher das Gegenteil bewirken.

Klare Strukturen fehlen

Das Land erlebt gerade eine der blutigsten Phasen seiner Geschichte. Jeden Tag werden Dutzende von Menschen getötet und die Zahl der Verwundeten liegt um ein Vielfaches höher. Da werden zwar gelegentlich Waffenlager und Unterschlüpfe der Terroristen gefunden, da gelingt es auch einmal, entführte Geiseln zu befreien. Dies sind aber Tropfen auf den heißen Stein: Insgesamt scheint die Macht derer ungebrochen, die selbst von arabischen Medien längst nicht mehr als Widerstandskämpfer bezeichnet werden, sondern als Terroristen.

Es ist dies keine geordnete Macht mit klaren Befehlsstrukturen. Es ist dies keine parallele Macht im Staat, erst recht kein "Staat im Staat". Das macht den Sieg über diese Leute so schwer, schränkt aber gleichwohl die Macht der Zentralregierung ein und reduziert die "Machtübergabe" vor einem Jahr ein wenig zur leeren Geste, zu einer Farce.

Gewählt ist gewählt

Dabei darf man angesichts des täglichen Blutvergießens nicht übertreiben und in völlige Lethargie verfallen. In den letzten zwölf Monaten hat sich auch einiges Positive getan im Irak: Es gibt Handel und Wandel, neue und freie Medien sind entstanden. Vor allem aber: Die Iraker haben in relativ freier Wahl und unter Verachtung aller Todesdrohungen ein Übergangsparlament gewählt, das dann - mit einer Verspätung zwar - die Wahl eines Präsidenten und die Einsetzung einer Regierung ermöglichte. Immer noch gibt es in diesem Kabinett Namen, die eng mit den USA verbunden sind. Aber sie sind auf demokratischem Weg ins Amt gekommen und nicht von einem US-Statthalter handverlesen worden.

Wann herrscht Ruhe und Ordnung?

Parlament und Regierung sollen nun eigentlich bis August eine Verfassung ausarbeiten, damit auf der Grundlage dieser Verfassung bis Jahresende reguläre Wahlen stattfinden können. Im Augenblick sieht es nicht so aus, als werde man diesen Zeitplan einhalten können. Aber die Entschlossenheit der Iraker scheint ungebrochen, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. So sind bisher rund 168.000 neue Polizisten und Soldaten ausgebildet worden. Und trotz aller Anschläge gerade auf diese: Es finden sich immer neue Rekruten.
Die Iraker sind entschlossen, selbst etwas für ihre Sicherheit zu tun.

Mit einer amerikanischen Besatzung auf Dauer werden sie sich deswegen aber auch nicht abfinden. Vielleicht liegt hier der Grund für die optimistische Prognose des Ministerpräsidenten: Wenn man in zwei Jahren Sicherheit hat, dann wird man die GIs verabschieden wollen. Manchen Strategen in Washington ist diese Vorstellung ein Graus. Sie sprechen deswegen von bis zu zwölf Jahren, bis einigermaßen Ruhe und Ordnung herrscht im Zweistromland.