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"Der Iran muss andere Signale senden"

Das Interview führte Sonja Lindenberg28. Dezember 2005

Die EU und der Iran wollen im Januar weiter über das iranische Atomprogramm verhandeln. DW-WORLD hat mit Rüstungsexpertem Oliver Meier über die Chancen einer diplomatischen Lösung gesprochen.

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Atomkraftwerk im Süden des IranBild: dpa

Herr Meier, wie beurteilen sie das iranische Atomprogramm?

Das iranische Atomprogramm hat international erhebliches Misstrauen erregt. Zum einem wegen dem Umfang der Aktivitäten. Wenn das Nuklearprogramm so umgesetzt wird, wie der Iran das vorhat, wäre es sehr schnell militärisch zu missbrauchen. Das heißt, der Iran könnte sehr schnell von zivil auf den Bau von Atombomben umschalten. Zum anderen gibt es Anlass zum Misstrauen, weil der Iran über viele Jahre hinweg wichtige Aktivitäten gegenüber der internationalen Atomenergie Behörde verschwiegen hat und erst auf Nachfragen sein Programm offen gelegt hat. Es bleiben immer noch wichtige offene Fragen.

Vermuten sie dahinter auch die Absicht Atomwaffen herzustellen?

Das ist schwer einzuschätzen. Es gibt Indizien, aber keine Beweise. Der Iran weigert sich immer noch wichtige Fragen zu beantworten, was zu der Vermutung Anlass gibt, das hier nicht nur zivile Zwecke verfolgt werden. Möglich ist auch, dass es auch im Iran unterschiedliche Stimmen zu dieser Frage gibt, dass man sich vielleicht die Möglichkeit schaffen will, Atomwaffen herzustellen, dass aber noch keine konkrete Entscheidung gefallen ist, ein solches Ziel auch tatsächlich zu verfolgen.

Könnte der Iran auch schon heimlich eine Uran-Anreicherung betreiben?

Dafür gibt es keine Belege. Und die Uran-Anreicherungsanlagen, die der Iran offen gelegt hat, sind gegenwärtig unter internationaler Kontrolle und stillgelegt. Von daher muss man davon ausgehen, dass es solche Aktivitäten nicht gibt. Es gibt aber immer wieder Beschuldigungen, insbesondere aus den USA, dass im Iran geheime Anreicherungsaktivitäten stattfinden. Die Frage ist daher, wie der Iran das Vertrauen international wieder herstellen kann, dass er tatsächlich nur die Energiegewinnung im Auge hat. Da sagen die Europäer: Der richtige Weg ist, dass der Iran ganz auf die Uran-Anreicherung verzichtet. Die Europäer sind auch bereit nach Modellen zu suchen, wie der Iran mit angereichertem Iran zum betrieb ziviler Kernkraftwerke verlässlich versorgt werden kann.

Der Iran hat sich entschieden seine Uranumwandlung wieder aufzunehmen. Was bedeutet das?

Iran Atomanlage in Isfahan Uran
Es gibt keine Beweise dafür, dass der Iran schon heimlich Teile seines Atomprogramms ausführtBild: AP

Der Iran hat die Uran-Konversion wieder aufgenommen hat. Das ist eine Vorstufe zur Anreicherung. Das Produkt, das dort entsteht, ist nicht militärisch nutzbar. Der Iran hat hier aber, manche sagen in einer Salamitaktik, einen weiteren Schritt in Richtung der Anreicherung getan. Würde der Iran die Anreicherung wieder aufnehmen, wären auch die Gespräche mit den Europäern am Ende. Dann würde sich die Frage der Überweisung an den Sicherheitsrat akut stellen.

Wie würde es dann dort weitergehen?

Die USA und Europa scheinen sich einig zu sein, dass man nicht gleich Sanktionen verhängen will. Der Weltsicherheitsrat würde aber mit Sicherheit versuchen den Iran dazu zu bringen, besser zu kooperieren, den internationalen Inspektoren Zugang zu gewähren und die offenen Fragen noch zu klären. Der Sicherheitsrat würde dieses Anliegen der internationalen Gemeinschaft noch einmal unterstützen und - hier werden Erinnerungen an den Irak wach - versuchen weitergehende Inspektions-Möglichkeiten zu schaffen.

Welche Chancen geben Sie einer diplomatischen Lösung dieser sich zuspitzenden Atombedrohung?

Es gibt mit Sicherheit immer Chancen auf eine Lösung. Die Frage ist aber, ob der Iran an einer solchen Lösung tatsächlich interessiert ist. Ich denke von europäischer Seite ist das Interesse sehr groß und auch von Teilen der USA. Der Iran wird sich mit Sicherheit bewegen müssen. Er wird einige der sehr harten Positionen, die nach der Wahl des neuen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad formuliert worden sind, relativieren müssen. Hier geht es zum Beispiel um die Ankündigung von Anfang Dezember, der Iran werde auf jeden Fall Uran im eigenen Land anreichern. Wenn das tatsächlich so ist, ist den Gesprächen mit den Europäern eigentlich die Geschäftsgrundlage entzogen. Der Iran muss hier andere Signale senden.

Andererseits können auch die Europäer noch ein wenig nachlegen und zum Beispiel mehr Hilfe im zivilen Bereich anbieten. Und eine wichtige Frage ist auch, wie wird sich die USA zu einer diplomatischen Lösung verhalten. Hier gibt es noch sehr viel Ambivalenz. Die USA werden sich hier klarer auf die Seite der Europäer schlagen müssen.

Wie groß wäre dann die Gefahr, die vom Iran ausgehen könnte?

Zum einen geht es da um die Kombination einer möglichen iranischen Atombewaffnung mit Äußerungen darüber, dass Israel von der Landkarte verschwinden muss. Die Israelis haben deutlich gemacht, dass sie eine solche Entwicklung nicht ohne weiteres hinnehmen werden. Hier droht also nicht nur die Gefahr eines Rüstungswettlaufs, sondern auch einer militärischen Auseinandersetzung. Aber es gibt auch andere Szenarien. Andere Staaten in der Region, z.B. Saudi-Arabien, könnten bei der Atombewaffnung nachziehen. Das würde weitere Rüstungswettläufe herauf beschwören. Die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung steigt rapide und man muss in Teheran sich gut überlegen, ob man dieses Risiko eingehen will oder ob man nicht bereit ist, auf einiges zu verzichten und dafür dann andere Zugeständnisse zu erhalten. Für den Iran geht es inzwischen ja auch um die Frage der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Westen insgesamt. Die Kosten könnten sehr hoch für den Iran werden, wenn er weiter den gegenwärtigen Kurs verfolgt.

Dr. Oliver Meier ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg sowie Internationaler Repräsentant und Korrespondent der Arms Control Association in Berlin.