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Die Para-Armee

Filip Slavkovic 17. Februar 2009

Am 17. Februar jährt sich zum ersten Mal die Unabhängigkeit des Kosovos. Die westliche Staatengemeinschaft betreibt seit einem Jahr intensive Aufbauhilfe. Auch und gerade bei den Sicherheitskräften der jungen Nation.

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Ein Mitglied der "Kosovo Security Force" in Pristina(Quelle: ap)
Ein Mitglied der "Kosovo Security Force" in PristinaBild: AP

Tief über Amselfeld liegen nur einzelne Wolken. Der Himmel strahlt blau und die Sonne lässt die Februartage trotz Wind ungewöhnlich warm werden. Vor dem Hauptquartier der Armee des Kosovo, am südlichen Rand der Hauptstadt Pristina, flattert die Fahne des jüngsten europäischen Staates. Nur, offiziell sind die Kosovo Sicherheitskräfte (KSF) keine wirkliche Armee. Der vor einem Jahr ausgerufene Staat ist erst von knapp 55 Ländern anerkannt worden. Und fast zehn Jahre nach dem Krieg um die mehrheitlich albanische Region im zentralen Balkan betrachtet Serbien das Gebiet weiterhin als eigene Provinz.

Noch keine Armee, aber auch mehr als Polizei

Denkmal Newborn - Autor: Filip Slavkovic
Das Denkmal „Newborn“ im Zentrum der Hauptstadt.Bild: Filip Slavkovic

Auch Enver Dugolli weiß von dieser Problematik, obwohl er sich demonstrativ etwas über die harten Fakten amüsiert. „Während des Krieges saß ich im Gefängnis in Serbien als politischer Dissident, ich war ein so genannter Separatist. Eingebracht hat mir das knapp zehn Jahre hinter Gitter", sagt Dugolli. Heute ist der 45-Jährige Major der kosovarischen Sicherheitskräfte. Er trägt eine ausgemusterte NATO-Uniform, ein Geschenk der USA. Deutschland zum Beispiel unterstützt den Aufbau der KSF mit alten Bundeswehr-Fahrzeugen. In denen fährt seine Truppe. Die neue Truppe ersetzt den bisherigen Zivilschutzcorps TMK, der eher eine Resozialisierungsmaßnahme für die ehemaligen albanischen Untergrundkämpfer der UCK waren.

Statute vor albanischem Parlament - Autor: Filip Slavkovic
Über 90 Prozent der knapp zwei Millionen Kosovaren sind Albaner.Bild: Filip Slavkovic

Auch die neuen Kräfte werden zunächst bei der Katastrophenhilfe eingesetzt. So richtige festgelegte Aufgaben gebe es auch noch nicht, so Major Dugolli: "Noch ist es weder eine Armee, noch eine Polizei, sondern irgendetwas etwas dazwischen." Im Augenblick sorgt die NATO- geführte KFOR für Frieden und Sicherheit im Kosovo, und das schon seit dem Krieg. Damals war sie 50.000 Mann stark, heute sind es noch 15.000 Soldaten. Einige Hunderte NATO-Experten sind nun für die Ausbildung der KSF zuständig.

Oberste Priorität: Minenräumung und Brandbekämpfung

Grafiti an Hauswand - Autor: Filip Slavkovic
Nach dem Krieg regierte die UN-Mission UNMIK das Kosovo. Nicht immer zur Freude der Bevölkerung.Bild: Filip Slavkovic

Die KFOR Einheit hat auch das Kommando über die kosovarischen Sicherheitskräfte, die gegenwärtig erst 1500 Mitglieder haben. Schon in Kürze soll sie aber auf 3300 anwachsen. Dass die lokale Truppe dann zu einer richtigen Armee werde, sei durchaus nicht auszuschließen, sagt der italienische Generalleutnant und Oberkommandierende der KFOR, Emilio Gay. "Seit Anfang Februar bilden wir sie in Minenräumung und Brandbekämpfung aus, also hauptsächlich Zivilschutzmaßnahmen, und eben nicht auf Kampfhandlungen", sagt Gay. Möglichst schnell soll die KSF Nato-Standards erreichen. Und dabei handele es sich lediglich um Standards der Kommunikation und Organisation. Nicht alle NATO-Staaten hätten das Kosovo anerkannt, erinnert der Drei-Sterne-General Emilio Gay. Das westliche Militärbündnis sei mit der Aufgabe hergekommen, für Sicherheit zu sorgen.

Stadtbild Pristina - Autor Filip Slavkovic
Die Hauptstadt Pristina hat mittlerweile geschätzte 500.000 Einwohner und platzt aus allen Nähten.Bild: Filip Slavkovic

Die Unabhängigkeitserklärung habe am Mandat der KFOR nichts geändert. Im Gegenteil, auch weiterhin müsste die KFOR-Truppe beispielsweise religöse Denkmäler schützen, so General Gay. Erst langfristig sollten die Zuständigkeiten an die Kosovo-Polizei oder andere übergeben werden. "Wir haben heute keine Sicherheitsprobleme, abgesehen von Mitrovica. Und dort gab es nur vereinzelte Ereignisse, die insgesamt keinen Einfluss auf das Kosovo hatten."

Mitrovica ist ein Spiegel der Nation

Mitrovica ist die geteilte Stadt im Norden des Landes, eine Autostunde von der Hauptstadt entfernt. Der nördliche Stadtteil ist die Hochburg der Serben, im Süden leben die Albaner. Seit der Unabhängigkeitserklärung kam es hier wieder vermehrt zu Schlägereien und Schießereien zwischen den beiden Volksgruppen. Inzwischen jedoch habe sich die Lage entspannt, meint der albanische Polizist Nusret Hasani: "Wir sprechen miteinander. Es gibt keine Probleme, weder für Albaner noch für die Serben, die auf die jeweils andere Seite gehen. Alle können sich frei bewegen." Hasani ist seit fünf Jahren Mitglied des Kosovo Polizeidienstes KPS in der südlichen Mitrovica. Der junge Vater dreier Töchter ist täglich unterwegs - mal zu Fuß, mal im Wagen. Seine Abteilung ist für die Roma-Siedlung zuständig. "Zu der Romagemeinde haben wir gute Kontakte", sagt Hasani, "wir schauen dort nach dem Rechten und versuchen, die wenigen Probleme, die es gibt, sofort zu lösen."

Brücke - Autor Filip Slavkovic
Die Hauptbrücke von Mitrovica trennt die beiden Stadtteile eher als dass sie verbindet.Bild: Filip Slavkovic

Auch die internationalen Kollegen stünden mit Rat und Tat zur Seite. Seit Dezember ist im Kosovo nämlich die EU-Rechtsstaatmission EULEX tätig. Knapp 2000 Mann hat sie, davon allein 125 aus Deutschland. Offiziell geht es dabei nicht um den Aufbau eines unabhängigen Staates, weil nicht alle EU-Nationen diesen Staat anerkannt haben. Die europäischen Polizisten, Juristen und Zöllner sollen die kosovarischen Kollegen unterstützen und beraten. Brüssel und Pristina haben aber vereinbart, dass sie die Zuständigkeiten der lokalen Behörden auch ganz an sich ziehen können. EULEX-Sprecher Victor Reuter benennt die Hauptprobleme: organisierte Kriminalität und Korruption. "Wir sind gewillt, da unser Mandat durchzuführen", sagt Reuter. "Sobald die lokalen Autoritäten nicht im Stande sind hier einzugreifen, werden die EULEX Polizisten, Richter und Staatsanwälte da sein um das zu übernehmen."

Mit der EU Mission EULEX für mehr Rechtsstaatlichkeit

Grenzübergang Jarinje - Autor: Filip Slavkovic
Der Grenzübergang Jarinje auf der kosovarischen Seite wurde bei den serbischen Protesten gegen die Unabhängigkeitserklärung vor einem Jahr niedergebrannt.Bild: Filip Slavkovic

So habe die EULEX schon ihren ersten Kriegsverbrecher-Fall aufgerollt. Kistenweise wurden weitere Akten von der UN-Mission übernommen, die bisher den Rechtsstaat im Kosovo betreute. Ob dabei auch Beweise für Korruption in den Reihen der Regierung zu finden sind, wie hier von Medien kolportiert wird, darüber mag Reuter nicht spekulieren. „Wir haben ein anfängliches Mandat von zwei Jahren", sagt er. "Es wird dann zu einer Auswertung kommen, und der will ich jetzt nicht vorgreifen." Eines erscheint ihm aber sicher: Gelöst sind die Probleme im Kosovo in zwei Jahren sicher noch nicht, so dass eine Erweiterung des Mandates vom technischen Standpunkt her angebracht sei.

Ihre Präsenz zeigt die EU-Mission an der serbischen Grenze. Am Übergang Jarinje beispielsweise, zwischen den Bergen und der Schlucht eingeengt, kontrollieren die Zöllner zusammen mit der Kosovo-Polizei alle LKW, die aus Serbien kommen. Die Ware soll in albanischen Gebieten 50 Kilometer südlicher verzollt werden, doch die Fahrer umgehen einfach den Zollpunkt. Zumindest ist der Handel nun übersichtlicher geworden. Den Schmuggel können die albanischen und serbischen Banden im Nord-Kosovo allerdings weiterhin betreiben, da die Serben hier weder die EULEX noch die Regierung in Pristina anerkennen und Serbien selbst keine Hoheit mehr hat.