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Kein zweiter Kalter Krieg

Ingo Mannteufel20. Juli 2007

Das Verhältnis zu Russland verschlechtert sich. Manche sprechen von einer Neuauflage des Ost-West-Konflikts. Das ist falsch. Es droht ein feindliches Klima, aber kein "Kalter Krieg", meint Ingo Mannteufel.

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Bild: DW

Die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen verschärfen sich in Ton und Aktion zunehmend, zumal die Liste der strittigen Themen täglich länger zu werden scheint: US-Raketenabwehr in Polen und Tschechien, UN-Resolution zum Kosovo, tatsächliche, vermeintliche oder geplante russische Waffenlieferungen an Syrien, Iran oder Venezuela, das iranische Nuklearprogramm, Denkmalpolitik in Estland, die Aufklärung der Ermordung des Ex-FSB-Mitarbeiters und Emigranten Alexander Litwinenko und zuletzt der KSE-Vertrag.

Ein neuer "Kalter Krieg"?

Ingo Mannteufel, Leiter der russischen Online-Redaktion
Ingo Mannteufel, Leiter der russischen Online-Redaktion

Meinungsverschiedenheiten und Interessendifferenzen zwischen Staaten sind in der internationalen Politik prinzipiell nichts Ungewöhnliches, und glücklicherweise führen sie meist nicht zu einem Krieg. Wenn sich jedoch Russland, die USA und europäische Staaten so umfassend befehden, dann erinnert das sofort an den vierzigjährigen "Kalten Krieg" in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts.

Als letzter Beweis für diese Sichtweise könnte die Erklärung des russischen Präsidenten Putin gelten, den KSE-Vertrag auszusetzen. Denn gerade dieser 1990 geschlossene Vertrag zur Rüstungskontrolle in Europa gilt in militärischer und rüstungspolitischer Hinsicht als Symbol für das Ende des Ost-West-Konflikts.

Russland ist nicht die Sowjetunion

Dennoch wird es keine Neuauflage des "Kalten Krieges" geben. Das liegt zuallererst daran, dass das Russland von heute – selbst als wichtiger globaler Energielieferant, der Russland ist – bei weitem nicht mehr die politisch-ökonomische Kraft einer Sowjetunion besitzt.

Entscheidend ist jedoch, dass in der aktuellen Auseinadersetzung zwischen Russland und dem Westen die philosophisch-ideologische Komponente fehlt. Die sowjetischen Führer in Moskau sahen sich in der Konfrontation zwischen Weltkommunismus und liberaler Demokratie auf der Seite der Geschichte, die nach marxistisch-leninistischer Sicht im Sieg der internationalen Arbeiterklasse in der kommunistischen Weltrevolution enden werde. Auch wenn darüber heutzutage nur gelächelt werden kann, sollte dieses entscheidende Motiv für den Ost-West-Konflikt nicht unterschätzt werden, wie auch Historiker in den letzten Jahren in ihren Forschungen über den "Kalten Krieg" gezeigt haben. Es war dieser Systemgegensatz, der den Eindruck einer dauerhaften und alle Lebensbereiche umfassenden Konfrontation erzeugte.

In Russland sind zwar weder eine funktionierende liberale Demokratie noch eine rechtsstaatlich geordnete Marktwirtschaft entstanden, aber das gegenwärtige russische System basiert nicht auf einer ausformulierten Gegen-Ideologie zur westlichen Demokratie. Im Gegenteil: Präsident Putin nimmt es als persönlichen Affront, wenn man ihn nicht für einen lupenreinen Demokraten hält oder Russland die gleiche Rolle im Kreis der G8-Demokratien – für viele der Club des globalisierten Kapitalismus – verweigert.

Der Mangel an einer ideologischen Komponente in den aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Russland und dem Westen hat zudem noch eine weitere entscheidende Auswirkung: Russland findet schwerer Bündnispartner in der Welt, da es nicht mehr die globale Strahlkraft eines anderen politisch-wirtschaftlichen Systems hat. Anti-koloniale Befreiungsbewegungen in Entwicklungsländern oder anti-amerikanische Regime sehen im russischen Vorbild nicht mehr die eigene Zukunft. Damit ist Moskau die Möglichkeit genommen, aus den eigenen strittigen Fragen mit den USA und Europa eine globale Auseinandersetzung im Sinne des historischen "Kalten Krieges" zu machen.

Geschichte wiederholt sich nicht

Nach der Schwäche Russlands in der postsowjetischen Zeit sieht Präsident Putin nun die Zeit für ein neues umfassendes Arrangement mit den USA und Europa gekommen. Er strebt dabei neue Vereinbarungen an, die den eigenen Interessen einer wieder erstarkten Großmacht Russland besser entsprechen. Diese Intention lässt die russische Außenpolitik sehr aggressiv erscheinen, zumal sie vielfach in einer schroffen Rhetorik vorgetragen wird.

Es muss damit gerechnet werden, dass sich ein neues und nicht ungefährliches Klima der Feindschaft in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen – zumindest den USA und einigen wichtigen europäischen NATO-Staaten – entwickelt. Eine Rückkehr zur globalen Bipolarität zweier unterschiedlicher Gesellschaftssysteme wie im Ost-West-Konflikt wird es jedoch nicht geben.