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Der Kampf des Virenpapstes

Michael Marek24. November 2005

Beinahe täglich schicken Cyber-Vandalen neue Computer-Viren auf ihre zerstörerische Reise um die Welt. Hersteller von Anti-Viren-Software wie die russische Firma Kaspersky Labs haben deshalb Hochkonjunktur.

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Jewgenij KasperskyBild: dpa - Bildfunk
Wurm und Computer
Ständig tauchen neue Computer-Würmer aufBild: dpa

In den unwägbaren Tiefen des World Wide Web wird seit langem eine Art Abwehrschlacht geführt gegen PC-Viren - denn allein "Mydoom", der Wurm, der hunderttausende Computer lahm legte und Abermillionen von E-Mails infizierte, hat riesige Schäden verursacht. Eine der Kommandozentralen in dieser Schlacht liegt sieben Kilometer nördlich des Roten Platzes, in einem typischen Moskauer Viertel mit Hochhäusern und ein paar Bäumen: Ein 16-stöckiges Gebäude aus den siebziger Jahren, unansehnlich und von den Abgasen grau angefressen. Schwarze Gitter vor dunkel getönten Scheiben in den unteren Etagen verwehren den Einblick. Im unscheinbaren Eingang wacht eine für Ausländer unüberwindbare Portiersfrau über den Zutritt zu den Kaspersky Labs, dem führenden Anti-Viren-Unternehmen Russlands.

Ein rundlicher Paranoiker mit KGB-Ausbildung

Der Firmengründer Jewgenij Kaspersky gehört seit vielen Jahren zu den schillernden Persönlichkeiten der internationalen Internet-Szene. Kaum ein anderer kennt sich so gut aus mit Würmern, Trojanischen Pferden und Hackern. Manche nennen Kaspersky schmeichelnd den "Viren-Papst". "Mit zehn, zwölf Jahren hatte ich eine Leidenschaft für wissenschaftliche Aufgaben und Formeln. Ich wusste schon damals, 1975, dass ich ein technischer Mensch bin", erzählt Kaspersky. "Das war auch der Grund, weshalb ich in die KGB-Schule mit der Fakultät für Kryptographie gegangen bin. Das bedeutete Mathematik, Mathematik, noch mal Mathematik und Programmieren." Für den KGB habe er jedoch nie gearbeitet, sondern für das Verteidigungsministerium.

Symbolbild Mydoom jagt weiter durchs Internet
Das Virus "Mydoom" jagte wochenlang durchs InternetBild: dpa

Der Pferdeschwanz ist akkurat nach hinten gebunden, vor uns steht ein etwas rundlicher Vierziger, ein bekennender Kettenraucher und Liebhaber des Münchner Oktoberfestes. Wir treffen den Virenpapst im anonymen Meetingraum eines Hotels. Obwohl er heute vor allem mit der Leitung des Unternehmens zu tun hat, sagt Kaspersky, lebe er in ständiger Alarmbereitschaft - täglich 24 Stunden auf der Suche nach Viren. Hat er das Gefühl, sich dadurch verändert zu haben? Wer lange Zeit mit Computern arbeite, der bekomme einen "Computerakzent", glaubt er. "Ich begann wie ein Computer zu denken. Und die Arbeit mit Computerviren macht aus allen, nicht nur aus mir, Paranoiker."

Clevere Hacker-Gruppen

Sein erstes Virus entschlüsselte Kaspersky Ende der achtziger Jahre, 1997 gründete er zusammen mit seiner Frau Natalja die Firma Kaspersky Labs. US-amerikanische Großkonzerne gehören heute ebenso zu den Kunden von Kaspersky Labs wie mittelständische Unternehmen. Nur zehn Prozent des Umsatzes machen Privatkunden und Heimanwender aus. Neben der Moskauer Zentrale gibt es mittlerweile elf Niederlassungen mit 550 Beschäftigten, unter anderem in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA.

Antiviren-Hersteller Kaspersky lab
Kaspersky-MitarbeiterBild: dpa - Bildfunk

Mitte der neunziger Jahre habe es, bedingt durch das Finanzwesen im Internet, einen grundlegenden Wandel bei den Virenautoren gegeben, sagt Kaspersky - die "Kinderhooligans" seien von Kriminellen abgelöst worden: "90 Prozent aller Trojaner-Programme werden derzeit geschrieben, um auf illegale Weise an Bank- und Personeninformationen zu kommen. Es gibt Gruppen in verschiedenen Ländern, darunter Brasilien, China und das Baltikum, die aus 30 und mehr Menschen bestehen." Nur die stärksten und cleversten dieser Gruppen überlebten: "Wir als Antivirenfirma werden wohl künftig gegen Verbrecher mit höherem Niveau kämpfen."