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Der Kernspintomograf als Detektiv

Ingo Wagner21. Juli 2006

Einen Kernspintomografen kennt man eigentlich nur aus dem Krankenhaus. Aber Forscher der Technischen Hochschule Aachen setzen diese Technik inzwischen auch ein bei der Jagd nach Kunstfälschern.

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Unscheinbar, aber spektakulär: die NMR-MouseBild: RWTH Aachen/Peter Winandy

Jürgen Kolz schaut gespannt auf einen Bildschirm. Der Ingenieur untersucht ein Fresko, das vom Metropolitan Museum of Modern Art in New York geschickt wurde. Vor ihm steht auf einem Tisch der kleinste mobile Kernspintomograf der Welt. NMR-Mouse nennt der Wissenschaftler das Gerät. Es ist etwa so groß wie ein herkömmlicher Laserdrucker. Das Fresko befindet sich an der gegenüberliegenden Wand. Mit einem fingerdünnen Arm fährt eine Sonde an das Fresko heran und stoppt nur wenige Millimeter vor dem Untersuchungsobjekt. Jetzt beginnt Jürgen Kolz das Fresko zu durchleuchten.

"Wir wählen uns jetzt einen bestimmten Punkt aus in dem Fresko, den wir untersuchen wollen und messen dann in unterschiedlichen Messtiefen durch dieses Fresko durch. Anhand des Signals können wir dann sehen, welche Farben zum Beispiel benutzt werden, wie dick die einzelnen Schichten sind oder auch wie weit der Alterungsvorgang schon fortgeschritten ist", sagt er.

Original und Fälschung

Diese Informationen sind für Kunstexperten und Restauratoren von unschätzbarem Wert. Ein großer Vorteil dieses Untersuchungsverfahrens ist, dass das Fresko dabei nicht beschädigt werden muss. Heute werden in Galerien und Restaurationswerkstätten noch mikroskopisch kleine Punkte aus dem Gemälde oder Fresko entfernt und unter die Lupe genommen. So etwas sehen Kunstliebhaber natürlich sehr ungern. Mit dem mobilen Kernspintomografen der Aachener Forscher ist das nicht mehr nötig. Zwar werden in den großen Museen auch heute schon Durchleuchtungsverfahren verwendet. Aber Kolz ist davon überzeugt, dass die Aachener Methode diesen weit überlegen ist, weil sie zum Beispiel aus den Lebenslauf der Farben nachvollziehen kann.

Besonders die Möglichkeit, das Alter der verschiedenen Farbschichten bestimmen zu können, macht diese Technik für Museen interessant. Professor Bernhard Blümich (Titelbild), der Kopf des Forscherteams, kam schon bald auf die Idee, dass man damit auch Originale von Fälschungen unterscheiden und so Kunstfälschern auf die Schliche kommen könnte.

Rekonstruktion übermalter Bilder

Aber die neue Technik eröffnet noch ganz andere Möglichkeiten. Der argentinische Wissenschaftler Dr. Federico Casanova ist seit mehreren Jahren Mitglied im Team von Professor Blümich. Er ist vor allem von einer Eigenschaft dieser Untersuchungsmethode angetan: "Wir können mit unserem Gerät die unterschiedlichen Farbschichten in einem Gemälde oder Fresko erfassen. Dadurch können wir dann sehen, ob sich unter der Oberfläche noch ein anderes Bild befindet."

Und so ein verborgenes Bild wollen die Aachener Forscher demnächst nicht nur sehen, sondern auch rekonstruieren können. Wissenschaftler wie Kolz könnten auf diese Weise das verborgene Bild am Computer Stück für Stück nachbilden und damit eine perfekte Kopie des vom Künstler übermalten Bildes herstellen.

Doch bis dahin hat die Forschung noch einen weiten Weg zurückzulegen. Das Interesse in der Welt der Kunst ist jedenfalls groß. Im italienischen Perugia haben die Forscher schon mehrere Fresken und Gemälde durchleuchtet. Ende Juli haben die Aachener Forscher einen Termin in der National Gallery in London. Dort wollen sie britische Kunstexperten und Wissenschaftler von den Vorteilen ihrer Technik überzeugen.