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Der Klang der Freiheit

Jan D. Walter1. November 2015

Eine Ablenkung vom Alltag zwischen Flüchtlingsheim und Behörden für junge Asylbewerber: Das war die Idee hinter einem Düsseldorfer Musikprojekt. Nun ist daraus die Band "Sound of Freedom" entstanden.

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Rapper Michael (l.) und Projektleiter Björn Frahm singen in die Studiomikrofone (Foto: DW/J. D. Walter)
Michael (l.) aus Guinea und der Düsseldorfer Sänger Freeze 4U bei der Studio-Session von "Sound of Freedom"Bild: DW/J. D. Walter

Sound of Freedom - Land of Love

Eins ... zwei ... drei … vier - jedes Mal, wenn der Schlagzeuger den Takt mit seinen Stöcken dirigiert, herrscht für einen kurzen Augenblick absolute Stille im Tonstudio des Düsseldorfer "Instituts für Musik und Medien". Dann beginnt mit einem Beckenschlag das Intro: Melancholisch und doch leichtfüßig perlen die Arpeggios in einem getragenen Drei-Achtel-Takt durch den klassenzimmergroßen Aufnahmeraum - begleitet vom mandolinenartigen Klang einer albanischen Cifteli und den langen, seidenen Tönen einer Geige. Die Rhythmus-Sektion bilden das Schlagzeug und ein Holz-Shaker. Am Ende des schwebenden Intros geht es unvermittelt in einen strammen Vier-Viertel-Takt über.

Der gekonnte Rhythmuswechsel zeigt: Hier sind keine Anfänger am Werk. "Das Niveau hat eine erstaunliche Entwicklung genommen", sagt der Düsseldorfer Musiker Freeze 4U. Seit mehreren Jahren leitet er unter seinem bürgerlichen Namen Björn Frahm internationale Musik-Projekte mit Jugendlichen. Ende 2015 entstand in Kooperation mit dem ABA Fachverband für handlungsorientierte Pädagogik die Idee, einen Workshop mit jungen Flüchtlingen zu organisieren.

Ein halbes Jahr später fand sich mit Unterstützung der Diakonie Düsseldorf die Band "Sound of Freedom" zusammen. Die Musiker der aktuellen Besetzung kommen aus Guinea, Albanien und dem Iran. Ein paar Konzerte haben sie schon gespielt. Heute nehmen sie zum ersten Mal ein Lied auf - und das unter ziemlich professionellen Bedingungen.

Milads Hände fliegen über die Tastatur des schwarzen Steinway-Flügels (Foto: DW/J. D. Walter)
Das Klavier-Intro von "Land of Love" stammt von Milad aus dem IranBild: DW/J. D. Walter

Der 22-jährige Milad aus dem Iran findet das spannend: "Ich spiele seit zehn Jahren Klavier, schreibe eigene Lieder", erzählt er. Auch den Song, den die Kombo einspielt, hat sie aus einer von Milads Ideen entwickelt: "Land of Love" handelt von Hoffnung und einer besseren Zukunft in einem imaginären "Land der Liebe".

Probleme wegmusizieren

Diese Zukunft hofft Milad in Deutschland zu finden. Seit einem Jahr sei er hier, drei Monate lang habe die Reise aus dem Südiran gedauert. Nun sei er in einem Flüchtlingsheim in Bayern untergebracht. Um in der Band zu spielen, komme er mit dem Fernbus nach Düsseldorf und übernachte dann für einige Tage bei Bekannten. "Es ist umständlich, aber es lohnt sich", sagt Milad. "Wenn ich Musik mache, vergesse ich eine Zeit lang all meine Probleme."

Familie, Freunde, sein BWL-Studium - sein ganzes Leben habe er im Iran zurücklassen müssen. Die Herausgabe seiner Dokumente habe man ihm verweigert. "Das ist das einzige, womit ich mich ausweisen kann", sagt Milad und hält seinen iranischen Studenten-Ausweis hoch.

Nun wartet er auf seinen Asyl-Bescheid. "Vielleicht kommt er morgen, vielleicht erst in zwei Jahren, sagt mein Anwalt." So lange kann Milad weder studieren, noch arbeiten, weder hier noch im Iran. Denn dahin könne er nicht zurück, sagt er. Immerhin hat er schon viel Deutsch gelernt, in Kursen und mit Deutsch-Programmen der DW: "Jeden Tag!" versichert er. Der Erfolg ist hörbar.

Ando mit Geige und Fatjon mit Cifteli vor den Instrumentenmikrofonen des Tonstudios (Foto: DW/J. D. Walter)
Spielen laut Musiker Frahm auf Profi-Niveau: Ando (l.) und Fatjon aus Albanien wollen in Deutschland Musik studierenBild: DW/J. D. Walter

Angst vor Abschiebung

Als Iraner dürfte Milad recht gute Chancen auf politisches Asyl haben - anders als seine albanischen Band-Kollegen Ando und Fatjon. Ihre Heimat wird als politisch sicher eingestuft. Wirtschaftliche Not gilt nicht als Asylgrund. Und sie war auch nicht der Hauptgrund, der sie nach Deutschland gezogen hat. Sie wollen hier Musik studieren: "In Tirana folgt das Musik-Studium der russischen Tradition", erklärt Violinist Ando, "aber ich will unbedingt nach deutscher Lehre studieren."

Ando ist 23 Jahre alt. Als Fingerübung zwischen den Aufnahmen fiedelt er Mozarts "Türkischen Marsch" in doppeltem Tempo. Mit sieben Jahren habe er angefangen, Geige zu spielen, schon die Schulbildung habe er an einem Kunst-Gymnasium absolviert. Danach habe er in Tirana an der Universität der Künste drei Jahre lang Geige studiert. Von dort kennt er auch den 19-jährigen Fatjon. Dessen Instrument ist eigentlich das Horn. Die zweisaitige Cifteli spiele er aber schon seit seiner Kindheit. Mehrere balkanweite Jugend-Wettbewerbe, sagt er, habe er damit schon gewonnen.

Musik sei ihr Leben, beteuern sie. Beide wollen in Deutschland Berufsmusiker werden, doch ihre Hoffnung ist derzeit nicht allzu groß: "Im Fernsehen habe ich gehört, dass Nordrhein-Westfalen alle Albaner abschieben will", erzählt Fatjon mit bangem Blick. Schon Anfang November könne es so weit sein.

Viele Unterstützer

Für "Sound of Freedom" wäre das ein großer Verlust. "Ando und Fatjon spielen wirklich auf professionellem Niveau", sagt Berufsmusiker Frahm. Dass die ursprüngliche Idee, jugendlichen Flüchtlingen eine Abwechslung zu ihrem Kampf mit den Behörden zu bieten, in einer studiotauglichen Band münden würde, hatte er nicht erwartet. Umso wichtiger ist es, dass er mit der Unterstützung von Werner Roth, Professor für Populär-Musik am Institut für Musik und Medien, rechnen kann.

Kritisch, aber zufrieden hört sich die Band ihre Aufnahme im Mischraum an. (Foto: DW/J.D.Walter)
Kritisch, aber stolz: Am Mischpult hört sich die Band das Ergebnis der Aufnahmen anBild: DW/J. D. Walter

Roth hat das Tonstudio reserviert und Studenten vermittelt, die das Projekt unterstützen. "Die haben es wirklich drauf", sagt Projektleiter Björn Frahm. Mindesten 500 ehrenamtliche Arbeitsstunden, schätzt er, hätten die Studenten bereits eingebracht.

Die sehen es locker: "Das macht einfach voll Bock", sagt Aufnahmeleiter David, "und wenn man dann noch etwas Gutes tun kann … perfekt!" Schlagzeuger Matthias sieht das ähnlich: "Ich hatte gerade keine Band, und das hier macht einfach Spaß."

Weitere Bands geplant

Dass die Band so weit gekommen ist, schreibt Frahm aber anderen Unterstützern zu: Eine Sicherheitsfirma hat ein Stage-Piano gestiftet, der Inhaber eines Musikhauses hat Ando eine Geige geschenkt, die Stadt stellt den Proberaum zur Verfügung und die Öffentlichen Verkehrsbetriebe Fahrkarten.

Nicht zuletzt hat das Land Nordrhein-Westfalen die Finanzierung übernommen. Ende des Jahres laufen die Fördermittel planmäßig aus. Aber Frahm rechnet damit, dass es spätestens im Mai 2016 neue gibt. Dann will er weitere Flüchtlingsbands in Köln und Duisburg gründen. Mit etwas Glück könnte die Finanzierung sogar durchlaufen, hofft er: "Dank dem Erfolg von Sound of Freedom wurden wir für einen Jugendpreis nominiert. Das könnte helfen." Nun müssen nur noch die Bandmitglieder zusammenbleiben. Aber auch da sei er dran, versichert Frahm. Aber mehr könne er noch nicht verraten.