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Der Kosovo wird mündig

Adelheid Feilcke-Tiemann5. März 2002

Der Beschluss über die Regierungsbildung im Kosovo ist ein wichtiger Meilenstein auf dessen Weg zum selbständigen Staat. Ein Kommentar von Adelheid Feilcke-Tiemann.

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Es wurde schon langsam peinlich, was sich vor den Augen der internationalen Öffentlichkeit im Kosovo vollzog: Mehr als drei Monate nach den geglückten Parlamentswahlen gab es noch immer keinen Präsidenten und keine Regierung; das Parlament trat nicht zusammen; der politische Prozess verharrte in einer unheilvollen Starre. Statt endlich mit der konkreten politischen Arbeit zu beginnen, versperrten die Parteien durch mangelnde Konsensfähigkeit den Start in eine neue Ära - eine Ära, in der die politische Veranwortung immer stärker von der UN an die Kosovaren selbst zurückgegeben werden soll. Die frischgewählten Parlamentarier stellten sich selbst ein Armutszeugnis aus, weil sie sich nicht verständigen konnten. Und die internationale Gemeinschaft, die für den politischen Aufbauprozess verantwortlich zeichnet, zeigte sich ratlos angesichts der auch durch ihre Vorgaben eingetretenen Blockade.

Dreimal war unterdessen Ibrahim Rugova von der stärksten Partei, der Demokratischen Liga des Kosovo, als Präsidenschaftskandidat angetreten, dreimal hatte er mit Pauken und Trompeten die nötige Mehrheit verfehlt, weil er im Vorfeld keine Koalitionsvereinbarung zustande brachte.

Nun ist endlich der Durchbruch gelungen: Die drei Führer der wichtigsten albanischen Parteien haben sich auf eine Kompromissformel für eine Drei-Parteien-Koalition geeinigt. Ibrahim Rugova ist der erste Präsident im Nachkriegs-Kosovo. Bajram Rexhepi von der Demokratischen Partei unter Hashim Thaci wird der erste Ministerpräsident Kosovos – ein Posten, den Rugova lange nicht an den Koalitionspartner abgeben wollte. Und die Formel für die Zusammensetzung der Regierungsmannschaft ist auch gefunden, an der alle drei albanischen Parteien mit eigenen Ministerposten beteiligt sein werden. Zusätzlich wird ein serbischer Minister mit am Kabinettstisch sitzen.

Jetzt kann es also losgehen mit der – noch immer eingeschränkten – Selbstverwaltung. Auch wenn das letzte Wort und die Entscheidungsgewalt in den wichtigen außenpolitischen Fragen weiterhin fest in den Händen der UN-Verwaltung bleibt, müssen die kosovarischen Politiker jetzt beweisen, dass ihre Parteiprogramme und ihr Wunsch nach Demokratisierung keine Lippenbekenntnisse sind. Sie müssen lernen, Selbstverantwortung nicht nur zu fordern, sondern auch Verantwortung zu übernehmen, realpolitisch zu handeln und Kompromisse einzugehen. Das hat der mühsame Prozess der vergangenen Monate gezeigt.

Es kann schließlich nicht das Prinzip der Nachkriegsgesellschaft im Kosovo sein, dass immer wieder ein externer Schlichter herangezogen werden muss. Auch diesmal wäre die Kompromissformel nämlich wäre ohne massive Hilfe des neuen UN-Verwalters Michael Steiner nicht zustande gekommen. Dieser hat ohne Zweifel einen ersten großen Erfolg in seinem neuen Amt erzielt. Aber das Ziel seiner Arbeit sollte es sein, die UN-Verwaltung langsam überflüssig zu machen. Die kosovarischen Politiker sollten nun nach diesem mühsamen Start der Regierungsbildung mehr politisches Geschick an den Tag legen. Ebenso muss man nun die brennenden Probleme im Kosovo pragmatisch angehen, ohne sich erneut in parteipolitischen Streitigkeiten zu blockieren. Energieversorgung, Bildung, wirtschaftlicher Aufbau, Kriminalitätsbekämpfung und das Zusammenleben der Völker sind hier zu nennen. So werden internationale Vermittlung und ein Machtwort Steiners immer seltener nötig – die Vorausetzung dafür, dass Kosovo insgesamt für mündig erklärt werden kann.