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Der Kreml geht in die Autooffensive

Stephan Hille, Moskau28. Februar 2006

Der Automarkt in Russland boomt wie verrückt. Die Russen sind im Mobilitätsrausch, dank des anhaltenden Wirtschaftsbooms können sich immer mehr Russen einen Westwagen leisten.

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Obwohl die Russen sehr patriotisch sind, stößt die Liebe zu Mütterchen Russland bei den Autos aus "vaterländischer Produktion" sehr schnell an ihre Grenzen: Sofern er es sich leisten kann, sagt Iwan Normalverbraucher "Njet" zu Lada und Wolga. Die ausländischen Fahrzeugbauer haben dies längst erkannt und drängen daher immer stärker auf den russischen Markt.

Schlechte Straßen

Denn der Bedarf ist noch längst nicht gesättigt, auch wenn die Weisheit des Nationaldichters Nikolai Gogol "Russland leidet an zwei Übeln: Dummköpfen und schlechten Straßen" noch immer Gültigkeit hat. Was die Mobilität im Riesenreich angeht, ist Russland noch immer unterversorgt. Gegenwärtig kommen rund 140 Fahrzeuge auf 1000 Einwohner, in Deutschland sind es knapp 600. Kauften Russen 2004 insgesamt 280.000 neue Westwagen, erwarben sie allein im ersten Halbjahr 2005 bereits 225.000 ausländische Neufahrzeuge. Solche Steigerungsraten kann sonst nur China vorweisen.

Russische Autoholding

Um auf dem riesigen Markt gegenüber den westlichen Herstellern nicht den Anschluss zu verlieren, will der Kreml nun mit einer Qualitätsoffensive die heimische marode Autoindustrie sanieren und die wichtigsten Fahrzeughersteller in einer gemeinsamen staatlich kontrollierten Holding zusammenführen. In der Hoffnung, dass die Russen sich wieder verstärkt hinter das "vaterländische" Steuer setzen.

Der staatliche Monopolist für Rüstungsgeschäfte hat nun faktisch den größten zivilen russischen Autobauer, Avtovaz, übernommen und will diesen laut eigenen Aussagen mit dem größten Lastwagenhersteller, Kamaz, und dem privaten Lieferwagen- und Bushersteller Ruspromavto unter ein Dach bringen.

Internationale Konkurrenzfähigkeit

Das Ziel ist klar: Ähnlich wie in der Öl- und Gasindustrie will der Kreml staatlich kontrollierte Großkonzerne zimmern, die ihre jeweilige Branche dominieren. Um international konkurrenzfähig zu werden, so das Denken im Kreml, müsse der Staat nach asiatischem Vorbild politische Schützenhilfe und mit Geld Aufbauhilfe leisten, um im Rohstoffsektor und in vernachlässigten, aber einst wichtigen Branchen wie dem Flugzeug- und Autobau, der Kernkraftindustrie, dem Rüstungssektor und dem Maschinenbau "Global Players" zu schaffen.

Staat als Manager

Klar ist, dass die russischen Autobauer ihre bislang schlechte Position nur durch eine erhebliche Modernisierung und durch massive Investitionen verbessern können. Ob aber der Staat als Manager genau dies wird leisten können, bleibt zweifelhaft. Moskauer Analysten bringen dem ehrgeizigen Holding-Projekt mit einem neuem Werk für Avtovaz und der geplanten Jahresproduktion von einer Million Wagen nur wenig Vertrauen entgegen.

Die liberale Zeitung "Novyje Iswestija" hält den Plan für einen neuen russischen Volkswagen für verheerend: "Da werden nur wieder Milliarden aus dem Haushalt in sinnlose Industrieprojekte versenkt, für Modelle, die sich am Markt nicht durchsetzen werden."