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Der lange Marsch ins Weiße Haus

Daniel Scheschkewitz, Washington12. Februar 2004

In gut neun Monaten wählen die USA ihren 44. Präsidenten – wie üblich am Dienstag nach dem ersten Montag im November. Den Herausforderern von George Bush steht bis dahin ein harter Ausleseprozess bevor.

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Denkmäler wie dieses setzen die US-Amerikaner nur ganz herausragenden PräsidentenBild: AP

Wer zum politisch mächtigsten Mann der Welt aufsteigen will, muss sich auf einen langen Marsch begeben. In kaum einer westlichen Demokratie ist die Wahl zum Staatsoberhaupt so komplex und vielschichtig wie in den USA. Es beginnt mit dem langfristigen Ausleseprozess in den beiden großen Parteien. Theoretisch kann auch ein unabhängiger Kandidat ins höchste Amt gewählt werden, de facto waren in der jüngeren Geschichte der USA jedoch alle Präsidenten entweder Republikaner oder Demokraten.

Kräftezehrender Vorwahlkampf

Wahlkampf in den USA.
Wahlkampf in den USABild: AP

Der Nominierungsprozess innerhalb der politischen Parteien beginnt offiziell mit den Vorwahlen (primaries) und den parteiinternen Versammlungen (caucus) auf Bundesstaatenebene; erste Termine dafür liegen meist im Januar oder Februar des Wahljahres. Doch schon geraume Zeit vorher müssen die Kandidaten den eigenen Werbefeldzug beginnen, Gelder für den Wahlkampf sammeln, sich die Unterstützung von Interessensverbänden sichern und vor allem mit zahllosen Fernsehauftritten den eigenen Bekanntheitsgrad im Lande steigern. Erstmals nutzen in diesem Präsidentschaftswahlkampf einige Kandidaten auch das Internet als Wahlkampfplattform und Medium zur Organisation ihrer Kampagne.

Nur wer einen langen Atem hat und über entsprechende finanzielle Ressourcen verfügt, hat Aussichten es bis zum Nominierungsparteitag (convention) seiner Partei im Sommer vor der Wahl zu schaffen. In der Regel steht durch das Ergebnis der Vorwahlen in den einzelnen Bundesstaaten dann bereits fest, wen die mehreren tausend Delegierten nominieren und der Nation als ihren Kandidaten präsentieren werden. Erst dann kann die Wahlkampfmaschinerie der Kandidaten, insbesondere der Herausforderer, auf vollen Touren laufen, genießen sie nun doch die offizielle Unterstützung ihrer Partei. Dass in den USA die Parteien abgesehen von ihrer Präsenz im Kongress vor allem Wahlkampfplattformen sind, zeigt sich schon daran, dass diese "conventions“ nur alle vier Jahre, eben im Präsidentschaftswahljahr zusammentreten.

Indirekte Entscheidung am Wahltag

Carnival Gore Bush
Der US-Wahlkampf erregt weltweite Aufmerksamkeit - auch beim Karneval in Köln, wie diese Bush- und Gore-Puppen zeigenBild: AP

Gewählt wird in den USA traditionell am Dienstag nach dem ersten Montag im November. Die Tradition stammt aus der Zeit, da man mit dem Pferdewagen zur Wahlurne in der nächsten Kreisstadt anreisen musste, wozu auf keinen Fall der Sonntag genutzt werden sollte. Ein Relikt aus Gründungszeiten, ebenso wie das Wahlmännergremium, über das die ca. 130 Millionen registrierten Wähler – denn wählen darf nur, wer in den Wahllisten steht - an diesem Tag entscheiden. Die Amerikaner wählen ihren Präsidenten nämlich auch heute noch in indirekter Wahl. Weil die Gründungsväter diese wichtige politische Entscheidung nur besonders informierten Staatsbürgern vorbehalten wollten, entschieden sie sich für dieses Gremium (electoral college), indem derzeit 270 Stimmen zur absoluten Mehrheit und Wahl des Präsidenten reichen. Wer also am Wahltag die meisten Stimmen auf sich vereinigt, ist deshalb noch lange nicht Präsident.

Diesen Umstand musste der demokratische Verlierer der Präsidentschaftswahl 2000, Al Gore, höchst schmerzhaft am eigenen Leib erfahren. Gore hatte zwar die meisten Wählerstimmen auf sich vereinigt, doch George Bush gewann die absolute Mehrheit der Wahlmännerstimmen. Die Wahlmänner verteilen sich nach Bundesstaaten nach dem Prinzip "the winner takes it all“. Das heißt, der Kandidat, der in einem Bundesstaat siegt, bekommt alle Wahlmännerstimmen dieses Bundesstaates. Das Votum der Wähler ist für die Wahlmänner zwar nicht juristisch verbindlich, in der Regel stimmen sie jedoch für den Kandidaten , dessen Liste am Wahltag die meisten Stimmen errungen hat.

Wahlmännergremium entscheidet

Jetzt geht das Präsidentschaftsrennen endgültig auf die Zielgrade. Das Wahlmännergremium tritt am Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember zusammen, um den Präsidenten und seinen Vize zu wählen. Kommt die erforderliche Wahlmännermehrheit nicht zustande, was vor allem in einem Dreier-Rennen möglich ist, fällt dem Repräsentantenhaus die Aufgabe zu, den Präsidenten zu wählen. Der Senat müsste dann den Vizepräsidenten bestimmen. Seinen Amtseid legt der neu gewählte Präsident im Januar ab. Dann wird er in einer feierlichen Zeremonie auf dem Kapitolshügel in sein Amt eingeführt. Die anschließende Fahrt in der Präsidentenlimousine ins Weiße Haus dürfte den meisten US-Präsidenten wohl eher kurzweilig erscheinen – sicherlich im Vergleich mit dem Marathon, der nun hinter ihnen liegt.