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Der Mann, der die Tatwaffe besorgte

Marcel Fürstenau4. Juni 2013

Im Prozess gegen den "Nationalsozialistischen Untergrund" berichtet Carsten S., wie er die Pistole kaufte, mit der die mutmaßlichen Rechtsterroristen neun Menschen ermordet haben sollen.

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Der Angeklagte Carsten S. (links) neben seinem Anwalt Jacob Hösl (Foto: Marc Müller/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Am fünften Tag des Strafprozesses gegen den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) vor dem Oberlandesgericht (OLG) München hat der erste von fünf Angeklagten über seine Verstrickung in die rechte Szene berichtet. Carsten S. (im Artikelbild links) wird vorgeworfen, die Waffe vom Typ "Ceska" besorgt zu haben, mit der die mutmaßliche NSU-Terrorgruppe zwischen 2000 und 2007 neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen wurden.

S. schilderte ausführlich, wie er unter konspirativen Umständen eine Pistole besorgt hat. Auftraggeber und Empfänger der Waffe waren offenbar die mutmaßlichen NSU-Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Die beiden haben sich im November 2011 das Leben genommen, um ihrer Festnahme zu entgehen. Einzige Überlebende des NSU ist die Hauptangeklagte Beate Zschäpe, die im Gegensatz zu Carsten S. die Aussage verweigert.

"Die beiden Uwes haben mich vom Bahnhof abgeholt"

Der ebenfalls wegen Beihilfe zum Mord angeklagte Ralf Wohlleben habe ihn in einen Szene-Laden geschickt. Dort hätte er eine deutsche Waffe mit Munition bestellen sollen, ihm sei aber eine osteuropäische Waffe mit Schalldämpfer angeboten worden. Die habe er dann später abgeholt, und mit Geld bezahlt, das Wohlleben ihm gegeben habe. Die Waffe habe er zu Böhnhardt und Mundlos nach Chemnitz gebracht. "Die beiden Uwes haben mich vom Bahnhof abgeholt", sagte der Angeklagte S. Gemeinsam sei man in ein Einkaufszentrum gefahren. "Da kam auch die Frau Zschäpe dazu."

NSU-Prozess: Angeklagter sagt aus

Was mit der Waffe passieren sollte, darüber hat sich S. seinen Angaben zufolge so gut wie keine Gedanken gemacht  Er habe angenommen, "dass damit nichts Schlimmes passieren wird", sagte der 33-Jährige auf Nachfragen des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl. "Ich habe nicht nachgefragt", räumte S. ein.              

Strafermittler halten den Angeklagten für glaubwürdig

Zu Beginn seiner mehrstündigen Aussage hatte S. ausführlich beschrieben, welche Probleme er als Jugendlicher mit seiner Homosexualität gehabt habe. Erst spät habe er sich seiner Schwester und seinen Eltern anvertraut. Mit seinem Schwulsein erklärt sich S. letztlich auch die Abwendung von der rechten Szene, in die er Ende der 1990er geraten sei. Nach seinem Ausstieg und einem Studium in Düsseldorf  arbeitete S. als Sozialpädagoge in der AIDS-Hilfe. Strafermittler halten die Aussagen des mutmaßlichen NSU-Helfers für glaubwürdig.

Bevor S. mit seiner Aussage beginnen konnte, hatten die Pflichtverteidiger Beate Zschäpes vergeblich den Antrag gestellt, das Verfahren einzustellen. Sie begründeten ihr Begehren vor allem damit, ihre Mandantin könne wegen staatlicher Vorverurteilung nicht mit einem fairen Prozess rechnen. Zschäpe sei von der Bundesanwaltschaft als "Mitglied einer Mörderbande" bezeichnet worden, ohne dass zum Ausdruck kam, "dass es sich um einen Tatverdacht handelt", kritisierte Zschäpe-Anwältin Anja Sturm. Außerdem bemängelte sie, dass es nur unzureichende Informationen über die Rolle der V-Leute des Verfassungsschutzes im Umfeld der Angeklagten gebe. Deshalb könne sich keiner der Verfahrensbeteiligten "auch nur annähernd" ein Bild machen.

Bundesanwalt: Vorwurf der Vorverurteilung "reine Spekulation"

Bundesanwalt Herbert Diemer wies den Antrag unter Hinweis auf die gängige Rechtssprechung als "unbegründet" zurück. Es gebe kein Verfahrenshindernis, das zur Einstellung des Verfahrens führen müsse. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung sei "stets beachtet" worden. Die Ausführungen von Zschäpes Verteidigerin zu V-Leuten bezeichnete Diemer als "reine Spekulationen".

Keinen Erfolg hatte auch der Antrag von Nebenklägern, Prozessbeobachter des Bundeskriminalamtes (BKA) und des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vom NSU-Verfahren auszuschließen. Eine systematische Prozessbeobachtung würde eine "Gefährdung der Wahrheitsbefindung" bedeuten, weil künftige Zeugen über den Inhalt des Verfahrens informiert werden könnten, argumentierte Nebenkläger-Anwalt Alexander Kienzle. Der Prozess vor dem OLG München wird am Mittwoch mit der Befragung des Angeklagten Carsten S. fortgesetzt.