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Der Markt für Online-Glücksspiele wächst rasant

Martin Schrader15. Januar 2006

Während Lottoannahmestellen ihre Umsätze nur mäßig steigern, feiern Anbieter von Online-Glücksspielen eine wahre Glückssträhne: Kunden laufen ihnen in Scharen zu, Umsätze, Gewinne und Mitarbeiterzahlen steigen rasant.

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Die Spielsucht lockt nicht nur im Casino, sondern auch am heimischen PCBild: dpa - Bildfunk

Voraussichtlich im März 2006 will das deutsche Bundesverfassungsgericht ein Urteil fällen, das für Anbieter von Sportwetten in ganz Europa weitreichende Folgen haben wird. Es geht um die Frage: Dürfen private Unternehmen Wetten anbieten oder ist dies ein alleiniges Recht des Staates?

Zu welchem Urteil das Gericht auch kommen mag - aus Sicht des österreichischen Unternehmens betandwin ist es längst keine Frage mehr, ob es zu einer Liberalisierung auf diesem Markt kommen wird, sondern nur noch eine Frage der Geschwindigkeit. "Das ist ein Prozess, der kaum mehr aufzuhalten ist", meint betandwin-Sprecherin Karin Klein im Gespräch mit DW-WORLD.

Beispiel Gambelli

Klein begründet ihre Zuversicht mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2003. Im so genannten Gambelli-Fall bestätigte das Gericht die Niederlassungsfreiheit von Wettanbietern in Europa. Ausnahmen dürften Behörden nur mit dem Schutz der öffentlichen Sozialordnung begründen. Auf diese Klausel berufen sich Behörden in mehreren EU-Ländern, die rigoros gegen private Wettanbieter vorgehen. In Mönchengladbach und Gelsenkirchen wurden zum Beispiel Bandenwerbungen von Sportwettenanbietern zwangsweise entfernt. In Griechenland, wo Lotterien und Wetten ebenfalls ein Monopol des Staates sind, verhaftete die Polizei Marketing-Mitarbeiter, die auf einer Messe Werbematerial für betanwin verteilten. Dieses Vorgehen beschäftigt derzeit ein griechisches Gericht.

Private Wettanbieter dürfen nach dem EuGH-Urteil jedoch nur dort verboten werden, wo auch der Staat keine Wetten anbietet. "Soweit nun aber die Behörden eines Mitgliedstaats die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen", heißt es im Wortlaut des Gerichts, "können sich die Behörden dieses Staates nicht (…) auf die öffentliche Sozialordnung berufen."

Erträge verdreifacht

Für die Unternehmen ist dieser Markt äußerst lukrativ. Das bestätigen die Geschäftszahlen von betandwin. Im dritten Geschäftsquartal 2005 betrug der Umsatz 264 Millionen Euro. Das entsprach einem plus von 165 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Die Erträge bezifferte das Unternehmen auf 35,7 Millionen Euro - eine Verdreifachung. Der Gewinn nach Steuern betrug 1,2 Millionen Euro gegenüber einem Verlust im Vorjahreszeitraum.

Gute Aussichten für das Wachstum des europäischen Marktes der Wettanbieter sieht auch Gudrun Egger, die als Analystin für die "Erste Bank" in Wien diese Branche beobachtet. "Das Wettfieber greift immer mehr um sich", sagt sie. "Ich könnte mir vorstellen, dass sich das sehr positiv auf den Markt für Wettanbieter im Internet auswirkt." Das Rating für betandwin hat die Bank allerdings ausgesetzt. Man wolle abwarten, wie sich die geplante Übernahme eines Konkurrenten auswirke. Beobachter schließen eine Kapitalerhöhung zur Finanzierung des Kaufs nicht aus, was sich nachteilig auf den Aktienkurs auswirken dürfte.

Schutzbedürfnis

Aus Sicht von betandwin ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts überfällig. Denn derzeit gebe die rechtliche Lage von Wettanbietern in der EU noch Anlass für stundenlange Debatten; Grund sind die vielen unterschiedlichen Regelungen in den Mitgliedsländern. Anders als im Wett-Musterland England fehle es in vielen EU-Ländern an Regulationsbehörden, die sicherstellten, dass Auflagen zum Schutz der Kundensicherheit beachtet würden, sagt Karin Klein.

Nutzer von betandwin vertreten dagegen vereinzelt die Auffassung, dass es betandwin mit dem Schutz der Kunden bereits übertreibe. Dort sei es spielend leicht, mehrere tausend Euro auf ein Kundenkonto zu überweisen, mit denen dann gezockt werden könne, sagt ein Berliner Fan von Fußball-Wetten. Wer jedoch anschließend sein Geld und mögliche Gewinne zurück haben wolle, müsse einen aufwändigen Identifizierungsprozess durchlaufen, in dem er seine Berechtigung zur Abbuchung nachweist. Kleine Gewinne würden deshalb schnell wieder eingesetzt - und oft verloren -, anstatt ausgezahlt. Das sei Kalkül, meint der Wett-Fan und fügt hinzu, dass es bei anderen Anbietern leichter sei, eingelegtes Geld wieder auszahlen zu lassen.