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Der Meister der Big Nudes ist tot

25. Januar 2004

Der deutsch-amerikanische Fotograf Helmut Newton ist im Alter von 83 Jahren tödlich verunglückt. Mit seinen Aktaufnahmen von unterkühlter Erotik gehörte Newton zu den herausragenden Fotografen des 20. Jahrhunderts.

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Helmut Newton im Juni 2001Bild: AP


Newton war am Freitag (23.1.) in Hollywood mit seinem Cadillac unterwegs. Bei der Ausfahrt von einem Parkplatz des Hotels Chateau Marmont verlor er nach Polizeiangaben die Kontrolle über das Auto und fuhr in eine Mauer auf der anderen Straßenseite. Wenig später erleg er im Cedars-Sinai-Krankenhaus von Los seinen Verletzungen. Newton hinterlässt seine Frau June, die unter dem Namen Alice Springs ebenfalls als Fotografin wirkt.

Newton wurde am 31. Oktober 1920 in Berlin als Sohn eines jüdischen Knopffabrikanten und einer Amerikanerin geboren. 1936 begann er eine Fotografenlehre, zwei Jahre später floh er mit seiner Familie aus Deutschland erst nach Singapur und dann nach Australien. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Newton zunächst als Fotoreporter, ehe er sich der Modefotografie zuwandte.

"Bullshit - alles ein Missverständnis"

Seinen internationalen Durchbruch feierte er 1961 in Paris mit Aufnahmen für das Magazin "Vogue". Ein Jahr nach der ersten Ausstellung in der Pariser Galerie Nikon erscheint 1976 Newtons erster Portfolio-Band "White Women". Zu seinem Markenzeichen wurde die Großformat-Serie "Big Nudes", die Newton 1982 veröffentlichte. Die Distanz der Kamera zu ihrem Motiv überbrückte Newton mit einer sehr persönlichen Sicht, nicht nur auf den weiblichen Körper. Zu seinen Werken gehören auch Naturfotografien sowie Porträts - darunter von Prominenten wie Helmut Kohl, Paloma Picasso, Pierre Cardin, Gerhard Schröder oder Claudia Schiffer.

Fotograf Helmut Newton stellt in Düsseldorf aus
Helmut Newton bei einer Ausstellung seiner Werke in Düsseldorf (2002)Bild: dpa

Helmut Newton avancierte zum regelrechten Kult-Fotografen. Mit Tagesgagen bis zu 100.000 Mark galt er in den 1980er Jahren als der teuerste Fotograf der Welt. Mit dem Erfolg wuchs aber auch die Kritik an Newtons Werk. Gegner nannten es pornografisch, pervers und frauenfeindlich. Feministen wie "Emma"-Herausgeberin Alice Schwarzer kritisierten Newtons Arbeiten als sexistisch. Newton, dem Kritik völlig egal war, reagierte darauf mit der Standard-Erklärung: "Ich inszeniere die natürliche Sexualität der Frauen, ihr Verhalten im Alltag." Oder auch drastischer: "Bullshit. Ich liebe die Mädels, das alles ist ein feministisches Missverständnis."

Sammlung in Berlin

"Wir werden ihn sehr vermissen", sagte "Playboy"-Gründer Hugh Hefner. "Er war ein Gigant." Newton habe "die Grenzen der Fotografie ausgeweitet" und mit seinen Werken zahllose Fotografen beeinflusst. Mit Bestürzung hat Kulturstaatsministerin Christina Weiss auf den Unfalltod des Fotografen Helmut Newton reagiert. Weiss sagte in Berlin, mit Newton verliere die Welt "einen der wichtigsten Protagonisten der modernen Fotografie". Seine so kühlen wie intelligenten Inszenierungen, die niemanden unberührt ließen, hätten "ein ganzes Genre zur Kunst erhoben". Weiss betonte, es ehre Deutschland sehr, dass Newton, der einst von den Nationalsozialisten vertrieben worden sei, die Hand zur Versöhnung gereicht habe. Vor drei Monaten übergab er mehr als 1.000 Werke aus seinem umfangreichen Archiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Die Fotos sollen ab Juni in wechselnden Ausstellungen in der ehemaligen Kunstbibliothek am Bahnhof Zoo in Berlin gezeigt werden. (wga)