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Safar, Musik aus Afghanistan

Matthias Klaus18. Juli 2012

Drei Wochen lang waren Meistermusiker aus Kabul in Deutschland unterwegs. Sie stellten die große afghanische Musiktradition vor und erkundeten zusammen mit drei deutschen Musikern beim Improvisieren Gemeinsamkeiten.

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Ustad Amruddin ( Foto: Georg Anton Stipek Michienzi )
Bild: Georg Anton Stipek Michienzi

"Transcultural Music Studies": Das klingt zunächst höchst akademisch und alles andere als künstlerisch. Doch unter diesem Namen gibt es seit einigen Jahren an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar kreative Projekte mit Musikinstitutionen fremder Kulturen. Das Ziel ist es, Traditionen vor Ort zu erforschen und die fremde Musikkultur dann in Workshops und Konzerten in Deutschland live zu präsentieren.

Safar (zu deutsch: Reise) ist das Ergebnis eines solchen Forschungsprojekts. Eine Reise, die für den Deutschen Philip Küppers im Januar begann, als er in Kabul im "Afghanistan National Institute For Music" zu Gast war. Dort fand er Musiker, die bereit waren, ein Ensemble zu bilden, nach Deutschland zu reisen und ihre traditionelle Musik einem westlichen Publikum vorzustellen.

Sündhafte Musik

Als noch die Taliban in Afghanistan herrschten, war das Spielen und sogar das Hören von Musik verboten, denn sie galt als sündhaft und unislamisch. Musikern wurden die Finger abgehackt, Instrumente zur Abschreckung an Galgen aufgehängt, Videos und Kassetten zerstört. Das Stadtviertel von Kabul, in dem die Musiker lebten, wurde sogar komplett verwüstet. Die Meister der afghanischen Musik mussten ins Exil fliehen.

Viele emigrierten nach Europa oder in die USA, andere nach Pakistan. Über zehn Jahre nach dem Ende der Taliban-Herrschaft findet man in Afghanistan daher nur wenige Musiker, die die traditionellen Rhythmen des Landes beherrschen. Es sind diejenigen, die aus dem Ausland zurückgekehrt sind und sich bewusst dafür entschieden haben, die fast schon ausgestorbene Tradition wiederzubeleben.

Musikertreffen in Afghanistan (Foto: Georg Anton Stipek Michienzi)  2012 Auf Initiative eines Studiengangs an der Weimarer Musikhochschule trafen sich klassische Musiker aus Kabul mit deutschen Jazz- und Rockmusikern, um gemeinsam zu musizieren und die reiche afghanische Musiktradition sowie ihre Instrumente einem internationalen Publikum vorzustellen.
Transcultural Music Studies vor OrtBild: Georg Anton Stipek Michienzi

Neue Blüten hinter Mauern

Heute kann man in Kabul wieder Musik lernen, zum Beispiel am Afghanistan National Institute For Music. Dort unterrichten einige der alten Meister, die sogenannten "Ustads", eine junge Generation von Schülern. Obwohl in Afghanistan immer noch kein Frieden herrscht, geschieht das sogar mit staatlicher Förderung. Auch an der Universität von Kabul und bei der Aga Khan Music Initiative gibt es seit einigen Jahren Kurse in traditioneller Musik.

Natürlich sind das erst kleine Pflänzchen, die hier erblühen, denn auch in Afghanistan steht die Tradition in harter Konkurrenz zu Bollywood und amerikanischem Pop. Aber ein Anfang ist gemacht, um das kulturelle Erbe zu bewahren. Verschiedenste asiatische Traditionen treffen in der afghanischen Musik von je her aufeinander, denn im Laufe seiner Geschichte war Afghanistan entlang der Handelsrouten vom Vorderen zum Hinteren Orient immer ein Durchgangsland. Araber, Perser, Inder, Mongolen und Chinesen trafen sich hier, und alle brachten sie ihre Musik mit.

Deutsche und afghanische Musiker des Projekts Safar (Foto: Georg Anton Stipek Michienzi)
Safar: eine gemeinsame musikalische ReiseBild: Georg Anton Stipek Michienzi

So ist die Musik Afghanistans eine Mischung aus persischen Melodien, arabischen Tonleitern, indischen Kompositionsprinzipien und lokaler Stammestraditionen der Pastunen oder Tadschiken. Auch die Musikinstrumente, die von indischen Tablas bis zu Langhalslauten reichen, spiegeln dieses kulturelle Gemisch wieder.

Annäherung statt Fusion

In den fünf Konzerten von Safar, eins davon in den Räumen der DW in Bonn, konnte sich das Publikum vom musikalischen Reichtum Afghanistans und der Virtuosität der Instrumentalisten überzeugen. Ob Rubab-Spieler Ghulam Hussain oder der mindestens 85-jährige Amruddin, dessen Laute Dilruba sogar in seinem Pass als Vorname eingetragen ist: Die Mitglieder von Safar begeisterten die Zuhörer mit ihren traditionellen Stücken und den Improvisationen, die ähnlich wie indische Ragas aufgebaut sind.

Im zweiten Teil des Konzertprogramms kamen die drei deutschen Musiker Jörg Holdinghausen am Bass, Arne Jansen an der Gitarre und Schlagzeuger Jan Burkamp hinzu. Sie näherten sich in vier Kompositionen der afghanischen Tradition an und boten als westliche Rhythmusgruppe einen perfekten Background für die Soli und Melodien der Musikerkollegen aus Kabul. In einer Neuinterpretation von "Der Mond ist aufgegangen" zeigten die afghanischen Musiker zum Schluss, was ihnen zu "westlichem" Liedgut einfällt.

Irfan Ehsan( Foto: James Herzog)
Auch Irfan Ehsan ist ein "Ustad" - ein alter Meister der MusikBild: James Herzog

Die Zukunft der afghanischen Musik

Im Mittelpunkt der Konzerte stand immer wieder die "Rubab-Laute". Sie wird gemeinhin als das Nationalinstrument Afghanistans bezeichnet. Neben den vier bis sechs Melodiesaiten, die mit einem Plektrum gezupft werden, gibt es zahlreiche Resonanzsaiten, die durch ihre Schwingung die Töne verstärken. Die Rubab gilt hin und wieder als Vorfahre westlicher Saiteninstrumente wie Violine oder Viola.

Der einzige junge Musiker im Projekt Safar spielte diese Rubab virtuos und voller Energie. Salim ist Schüler am Afghan National Institute Of Music und gerade mal 14 Jahre alt. Er steht stellvertretend für die Generation junger Afghanen, die diese Tradition aufrechterhalten. Auf ihnen ruht die ganze Hoffnung der alten Meister, denn das Weitergeben an den Nachwuchs ist für einen Ustad ebenso wichtig wie das Musizieren selbst.