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Schlag gegen die Zivilgesellschaft

16. Juli 2009

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Vorsitzende der deutsch-russischen Parlamentariergruppe, Gert Weisskirchen, bewertet im DW-Interview den Mord an der Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa.

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Gert WeisskirchenBild: Picture-Alliance /dpa

Deutsche Welle: Wie bewerten Sie den Mord an der Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa?

Gert Weisskirchen: Das ist ein schmerzlicher Verlust, nicht nur für Memorial, nicht nur für die Nowaja Gaseta, sondern für die russische Demokratie. Denn Natalja Estemirowa war eine Unterstützerin, eine Förderin der russischen Demokratie. Jede Demokratie braucht Menschen, die bereit sind zur Kritik, weil nur Kritik die Konflikte und Probleme in einer Gesellschaft offen macht. Insofern ist das ein ganz schmerzlicher und schlimmer Verlust für die Entwicklung Russlands und ich hoffe, dass so rasch wie möglich das, was Präsident Medwedjew zugesagt hat, auch realisiert wird, dass klar wird: Wer sind die Hintermänner, wer sind die Mörder und in wie weit sind möglicherweise politische Repräsentanten die Drahtzieher, wie Oleg Orlow, Leiter der Menschenrechtsorganisation Memorial vermutet. Das muss alles rigoros und hart aufgeklärt werden.

Welche Folgen kann der Mord an Natalja Estemirowa für Russland haben?

Die Folgen werden sein, fürchte ich, dass es zunehmend mehr Menschen gibt, die ihren Mut sinken lassen könnten, nicht kritisch zu sein, nicht gegenüber demokratischen Medien ihre Meinung zu sagen. Das wäre eine fatale, schrecklich Folge dieses Mordes. Ich hoffe, dass viele Menschen begreifen und verstehen: Natalja Estemirowa ist ein Opfer, und dieses Opfer soll für andere bedeuten, nicht selbst Opfer zu werden, aber den Mut zu haben, ein neues Zeichen der Kritik und der Zivilcourage zu zeigen, weil Russland solche Frauen und Männer braucht, auch wenn sie im höchsten Maße gefährdet sind.

Ist dies ein Anzeichen dafür, dass in Russland immer noch keine Zivilgesellschaft existiert?

Das wäre ein Urteil, das man sich nicht anmaßen darf. Es ist aber eines richtig: Es reißt eine tiefe Lücke in die Zivilgesellschaft Russlands und ich hoffe, diese Lücke wird rasch von anderen geschlossen.

Autorin: Marina Borisowa
Redaktion: Markian Ostaptschuk