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Der Neue Markt und die Musik

Michael Brückner18. August 2003

Der wahrscheinlich großzügigste Musik-Mäzen aller Zeiten, Alberto Vilar, wurde durch den Boom am Neuen Markt einer der reichsten Männer der Welt. Doch mit der Flaute sinkt nun auch die Spendierfreudigkeit.

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Mäzen mit leichten Zahlungs-<br>schwierigkeiten: Alberto VilarBild: AP

Alberto Vilar liebt besonders die aufwändigste, luxuriöseste, teuerste, und repräsentativste Erscheinungsform der klassischen europäischen Musikkultur, die Oper. Der 62 Jahre alte Sohn eines kubanischen Zucker-Barons gründete 1980 in seiner neuen Heimat New York die "Amerindo Investment Advisors Inc.", die schon früh auf Computer-Technologie und Internet-Werte setzte. Damit wurde er in den 1990er Jahren zum Milliardär. Einen außergewöhnlich großen Teil seines Privatvermögens spendet er für den Aus- und Umbau von Opernhäusern, einzelne Inszenierungen, Nachwuchs- und Bildungs-Programme.

Von seiner beeindruckenden Freigiebigkeit profitieren keineswegs nur Musiker oder Opernintendanten. Er gilt auch als einer der spendabelsten Förderer von Gesundheits-Einrichtungen. Dem renommierten US-amerikanischen "National Jewish Medical and Research Center" schenkte er 2001 fast die gesamten Baukosten für ein neues Forschungszentrum in Denver, Colorado.

Eine Welt ohne Mozart verhindern helfen

Seine große Liebe gilt der klassischen Musik. "Ich will verhindern, dass unsere Kinder in einer Welt ohne Mozart aufwachsen" - so einer seiner am meisten kolportierten Aussprüche.

Für seine Leidenschaft hat er im Laufe der Jahre weit über 200 Millionen Dollar gespendet und zwar weltweit. Das macht ihn auch so einmalig, denn er bevorzugt nicht ein spezielles Haus, wie zum Beispiel die New Yorker Metropolitan Opera, die ausschließlich von spendablen Privatpersonen leben muss. Alberto Vilar ist in den vergangenen Jahren als eine Art "deus ex machina" der klassischen Musikszene weltweit ins Rampenlicht getreten.

Großes Geld für große Namen

Allerdings bevorzugt Herr Vilar große Namen und erwartet auch, dass sein eigener Name groß herauskommt. Dem Royal Opera House at Covent Garden in London spendierte er ein neues Foyer-Gebäude, es heißt nun "Vilar Floral Hall". In der Staatsoper Wien bekommt man das Libretto der Vorstellung als "Alberto Vilar Titel" angezeigt. Die New Yorker Met benannte einen Zuschauerrang nach ihm.

Metropolitan Opera
Metropolitan Opera, New YorkBild: AP

Es gab bis vor kurzem eine regelrechte Vilar-Euphorie, klamme Finanzpolitiker träumten schon davon, dem "reichen Onkel aus Amerika" einen Teil der Kulturausgaben überlassen zu können. Besonders unrühmlich tat sich dabei wieder einmal die Berliner Lokalpolitik und Öffentlichkeit hervor, die ohne irgendwelche konkreten Zusagen von Vilar, dessen freundliches Interesse im Sommer 2002 gleich zum Versprechen hochstilisierte und statt nachzufragen, damit begann Forderungen zu formulieren.

Fallen die Kurse, fällt das Ansehen

Doch die geplatzte Spekulations-Blase namens New Economy hat natürlich auch in Alberto Vilars Portokasse ein gewaltiges Loch gerisssen. Wie groß es ist, darüber kann bis heute nur spekuliert werden. Viele Hoffnungen, die der Kulturbetrieb in Alberto Vilar gesetzt hat, kann er nun nicht mehr erfüllen. "Diese Gelder sind unsicher, das macht das Problem des Sponsoring deutlich", so Rolf Bolwin, Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins gegenüber DW-WORLD. Sponsorengelder seien nur das "Sahnehäubchen, für das wir alle sehr dankbar sind", das aber eine kontinuierliche und solide Finanzierung nicht ersetzen könne.

Trotz aller Finanzkrisen stellt Vilar immer noch erkleckliche Summen für den weltweiten Opernbetrieb bereit. Die Salzburger Festspiele haben ebenso wie die Bayreuther Festspiele von ihm Millionen erhalten und sind guter Dinge, dass auch in Zukunft noch einiges aus New York kommen wird. Aber wohl weniger als man sich erhofft hatte. Ihre Enttäuschung machte die New Yorker Met jetzt auf drastische Weise deutlich: Sie schraubte die Alberto Vilar Ehrentafel im Foyer wegen nachlassender Zahlungsmoral kurzerhand wieder ab.

Bei einem Mann, der bereits dermaßen viele seiner privaten Millionen für die darstellenden Künste gegeben hat, jetzt von Wankelmut und Untreue zu sprechen, grenzt eigentlich an Unverschämtheit. Untreu und kleinmütig sind viel öfter lokale Unternehmer, die gerade in Deutschland für fast lächerlich kleine Beträge übermässig großen Dank oder Gegenleistungen erwarten. Und orientierungslos sind die Wirtschafts- und Finanzpolitiker, die den gesellschafts- und auch wirtschaftspolitischen Standortfaktor Kultur und Theater zur Zeit wie einen überflüssigen Unsinn herabwürdigen.