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Politik

"Der Oman: ein pragmatischer Vermittler"

15. Oktober 2017

Der Oman richtet eine Konferenz zur Vorbereitung von Friedensgesprächen in Afghanistan aus. Warum sich gerade das kleine Sultanat diplomatisch engagiert, erläutert die Oman-Expertin Anna Sunik im DW-Gespräch.

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Oman Sultan Qaboos Qabus in Muskat
Sultan Qabus von OmanBild: AP

DW: Der Oman richtet zu Beginn der Woche eine Konferenz aus, die den Krieg der Taliban in Afghanistan beenden soll. Was motivierte den Oman, sich als Mittler zur Verfügung zu stellen und die Konferenz auszurichten?

Der Oman hat historisch und auch gegenwärtig in sehr vielen Konflikten eine Mediatorenrolle eingenommen - vor allem im arabischen Raum, teils aber auch darüber hinaus. Dabei hat er sich als nicht-ideologischer, pragmatischer Vermittler erwiesen. Als zu Zeiten des Kalten Krieges alle Golfstaaten eine enge Westanbindung pflegten, nahm der Oman als erster Staat der Region offiziell Beziehungen zur Sowjetunion auf. Ebenso war er einer der wenigen Staaten der Arabischen Liga, der das Friedensabkommen zwischen Ägypten und Israel akzeptierte - und eben nicht für den Ausschluss Ägyptens stimmte. Seit dem Machtantritt von Sultan Qabus im Jahr 1970 ist der Oman außenpolitisch durch diesen Pragmatismus geprägt. Derzeit vermittelt er vor allem im Jemen, beim Krieg zwischen der von Saudi-Arabien geführten Allianz gegen die Houthis und ihre Verbündeten.

Welche Ziele verfolgt Oman mit dieser Vermittlerrolle?

Vermittlungsrollen zu übernehmen ist eine klassische Strategie vor allem kleiner Staaten. Das liegt daran, dass sich kleine Staaten nicht selbst gegen Bedrohung von außen verteidigen können - sie brauchen Hilfe und sind auf Verbündete angewiesen. Das schaffen sie, indem sie außenpolitisch gewisse Nischen besetzen - etwa als Vermittler in internationalen oder regionalen Konflikten. Gewissermaßen im Gegenzug hoffen sie, dass andere bereit sind, sie dann zu schützen oder gar zu verteidigen. Indem Oman - wie eine Reihe anderer kleiner Golfstaaten wie etwa Kuwait und Katar - auf möglichst viele Verbündete setzt, erhöht es die eigene Sicherheit.

Der Oman hat in den letzten Jahren eine sehr eigenständige Außenpolitik geführt. So hat er im Unterschied zu und durchaus auch zum Missvergnügen von Saudi-Arabien die Nähe zum Iran gesucht. Was bezweckt er mit dieser Politik?

Oman, Kamele auf der Straße
In der Ruhe liegt die Kraft: Straßenszene aus OmanBild: S. Töniges

Der Oman ist in gewisser Weise ein Außenseiter im Golfkooperationsrat. Der Oman ist ein Sultanat - kein Königreich oder Emirat. Während in den anderen Staaten des Rats im Grunde eine Familie herrscht, konzentriert sich die Macht im Oman auf den Sultan. Dieser hat nur eine sehr kleine Familie, und er hat keine Kinder. Die Herrschaftsbasis und damit auch die Funktionsweise der Macht ist eine andere. Sie ähnelt damit eher den Monarchien in Jordanien und Marokko. Zum anderen ist der Oman als einziger Staat weltweit ibaditisch dominiert.

Das heißt, die Bewohner sind weder Sunniten noch Schiiten. Das erleichtert es ihm, sich aus konfessionell motivierten Spannungen zwischen den anderen islamischen Staaten herauszuhalten. Zudem hat der Oman seit jeher zahlreiche Verbindungen in Richtung Asien und Afrika. Sie reichen von Sansibar bis zum indischen Subkontinent. Dank dieser historischen Entwicklung richtet der Oman seine Aufmerksamkeit nicht nur auf seine unmittelbaren Nachbarn rund um den Persischen Golf, sondern auch auf andere Staaten außerhalb der unmittelbaren Region.

Der Oman erscheint als ein ruhiger und politisch stabiler Staat. Worauf führen Sie diese innere Ruhe zurück?

Wie stabil ein Staat wirklich ist, lässt sich immer nur schwer definieren. Tatsache ist aber, dass die Herrschaft über mehrere Jahrzehnte gesichert war und Sultan Qabus derjenige arabische Herrscher ist, der am längsten an der Macht ist. Dazu gehört auch, dass es keine gewaltsamen Konflikte gab. Während des sogenannten Arabischen Frühlings gab es zwar Demonstrationen. Die waren für den Oman zwar auch bedeutend, da es Demonstrationen dieser Art vorher nicht gab. Aber sie waren beschränkt: Die Demonstranten forderten nicht den Sturz des Regimes, sondern nur Reformen innerhalb der etablierten Ordnung. Diese Demonstrationen wurden teils niedergeschlagen, teils liefen sie auch einfach aus.

Hat die Stabilität auch mit der Person des Sultans selbst zu tun?

Ja. Der Sultan genießt eine hohe politische Legitimität. Das liegt an seiner langen Herrschaftszeit, innerhalb derer er den modernen Oman geschaffen hat - so etwa durch den Bau der Infrastruktur, durch die Vereinigung des Landes, durch den Kampf gegen separatistische Tendenzen. Paradoxerweise stellt er auf gewisse Weise aber auch einen gewissen Instabilitätsfaktor dar. Denn der Sultan ist 77 Jahre alt und hat keine Kinder. Er ist zudem krank und hielt sich zu Behandlungszwecken mehrfach im Ausland auf, auch in Deutschland. Wenn er stirbt, könnte es zu Machtkämpfen kommen. Zwar hat Qabus Vorkehrungen getroffen, dies nach Möglichkeit zu vermeiden. Ob das aber gelingt, ist ungewiss. Im schlimmsten Fall könnte sich zeigen, dass die Stabilität weitgehend mit seiner Person verbunden war. Ist er also nicht mehr präsent, könnte sich das auch auf die Stabilität des Landes auswirken. Das muss nicht zwangsläufig so sein. Es lässt sich aber auch nicht ausschließen.

Anna Sunik ist Politik- und Islamwissenschaftlerin. Am GIGA -Institut Hamburg forscht sie zu den Monarchien der Golfregion.

Das Interview führte Kersten Knipp.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika