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Der Osten boykottiert die Wahl

7. Juli 2012

Die Stimmung könnte unterschiedlicher nicht sein: Während im Osten Libyens Wahllokale wegen Störungen von Wahlgegnern geschlossen wurden, herrscht auf den Straßen der Hauptstadt Tripolis Volksfeststimmung.

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Eine Frau wirft in Sirte ihren Wahlzettel in die Urne
Bild: Reuters

“Ich habe heute ein merkwürdiges, aber wunderbares Gefühl“, sagte ein Zahnarzt. “Endlich sind wir frei nach Jahren der Angst. Wir wussten, der Tag wird kommen, aber wir hatten Angst, es könnte noch lange dauern.“ Der Andrang war groß. Kurz nach der Öffnung der Wahllokale bildeten sich lange Warteschlangen. Knapp 2,9 Millionen Menschen haben sich als Wähler registrieren lassen, um über 200 Sitze im Übergangsparlament zu entscheiden.

Für die Libyer ist es ein historischer Tag. Erstmals bestimmen sie in einer demokratischen Wahl selber ihre Volksvertretung. Knapp ein Jahr ist der Sturz des ehemaligen Machthabers Muammar Gaddafi her. Mehr als vier Jahrzehnte lang hatte er das nordafrikanische Land diktatorisch regiert.

Kurzfristige Änderung des Wahlsystems

Ursprünglich war die Wahl zum Nationalkongress schon für den 19. Juni geplant. Doch es gab Probleme bei den Vorbereitungen. Das Wahlsystem gilt als kompliziert und wurde zudem noch kurz vor der Wahl geändert. Aus mehr als 3700 Kandidaten wählen die Bürger 200 Mandatsträger. Diese bilden ein Übergangsparlament, welches eine neue Regierung benennen und die Wahl einer 60-köpfigen Verfassungskommission vorbereiten soll.

Libysche Wähler stehen an einem Wahllokal in Tripolis Schlange
2,9 Millionen Libyer haben sich für die Wahl registriertBild: Reuters

Die Abgeordneten sollten ursprünglich auch eine verfassungsgebende Versammlung einsetzen. Doch um dem Osten des Landes Zugeständnisse zu machen, beschloss die Übergangsregierung, dass die Versammlung nun gesondert direkt gewählt werden soll. Im Osten herrscht Unmut über das Wahlgesetz, da dieses dem bevölkerungsreicheren Westen mehr Abgeordnete zugesteht.

Störungen im Osten des Landes

Mit Boykottaufrufen und blutigen Zwischenfälle stört der nach Autonomie strebende Osten die Wahlen. Demonstranten zündeten in 14 von 19 Wahllokalen in der Stadt Adschdabija Wahlurnen an, wie ein ehemaliger Rebellenkommandeur berichtete. In der ostlibyschen Stadt Benghasi haben militante Gegner der Wahl Hunderte Stimmzettel aus einem Wahllokal entwendet und öffentlich verbrannt.

Libyen hat gewählt - frei und meist friedlich

Zuletzt hatten frühere Rebellen drei Ölraffinerien abgeschaltet, um den Übergangsrat zu zwingen, die Wahl abzusagen. Am Freitag wurde in der Nähe von Benghasi ein Hubschrauber mit Wahlunterlagen von einer Rakete getroffen und musste notlanden. Ein Wahlhelfer kam dabei ums Leben.

Der stellvertretende Chef der Wahlleitung warf Innenministerium und der Armee vor, die Sicherheit der Abstimmung nicht gewährleisten zu können. Bis 20 Uhr haben die Wahllokale noch geöffnet. Mit dem vorläufigen Endergebnis wird aber nicht vor Montag gerechnet.

nem/pg (dpa, rtr, dapd, afp)