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Hollywoods Kooperation mit den Nazis

Jochen Kürten
16. März 2017

In den USA löste das Buch des Wissenschaftlers Ben Urwand eine Kontroverse aus. Jetzt erscheint Urwands Untersuchung über die Zusammenarbeit Hollywoods mit den Nationalsozialisten in den 1930er Jahren auf Deutsch.

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Hitler als Ehrengast bei Filmvorfuehrung
Hitler war ein großer Filmfan - hier bei der Premiere von "Morgenrot"Bild: picture-alliance/akg-images

Wie weit ist Hollywood bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs den Nazis entgegengekommen? Haben die mächtigen amerikanischen Studiobosse aktiv mit den Nazis zusammengearbeitet, um weiterhin Geld mit US-Filmen auf dem lukrativen deutschen Markt zu verdienen? Diese Fragen stellt Ben Urwand in seinem Buch "Der Pakt", das heute (16.3.) in deutscher Übersetzung erscheint. Urwand, das vorweg, kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Hollywood hat mit Nazi-Deutschland kollaboriert.

Das Buch des Historikers erschien vor drei Jahren in den USA unter dem Titel "The Collaboration: Hollywood's Pact with Hitler" beim Verlag "Harvard University Press".  Unter dem Titel "Der Pakt - Hollywoods Geschäfte mit Hitler" liegt es nun auf Deutsch vor. Es dürfte auch hierzulande zu Diskussionen führen.

Geschäft ging vor Moral

Urwand stellt in dem Buch die These auf, dass amerikanische Studiobosse und Filmfunktionäre mit den Deutschen seit Beginn der 1930er Jahre zusammengearbeitet haben - um sicherzustellen, dass ihre Produktionen auch in Deutschland laufen konnten. Dabei hätten die Amerikaner sich auf einen verhängnisvollen Deal eingelassen. Sie hätten Schnittauflagen bei Hollywood-Produktionen zugestimmt; hätten verhindert, dass bestimmte nazikritische Tendenzen in Filmen vorkommen; und hätten Projekte, die die Judenverfolgung in Deutschland thematisiert haben, zu Fall gebracht. Urwand stützt seine These mit zahlreichen Belegen.

Carl Laemmle
Carl Laemmle (l.) und "Im Westen nichts Neues"-Autor Erich Maria RemarqueBild: picture-alliance/Everett Collection

Auf die Idee, sich mit dem Thema zu beschäftigen, habe ihn das Verhalten des mächtigen MGM-Bosses Louis B. Mayer gebracht, schreibt Urwand. Der habe dem damaligen deutschen Konsul in Los Angeles alle MGM-Filme vorgeführt - um sie von ihm absegnen zu lassen. Sei der Konsul mit bestimmten Sequenzen nicht einverstanden gewesen, etwa weil sie Deutschland in ein schlechtes Licht gerückt haben, so hätte er die Szenen aus dem Film entfernen lassen: "Das Bild, wie der mächtigste Mann Hollywoods mit einem Nazi zusammenarbeitet, gab den Anstoß für eine sich über neun Jahre erstreckende Untersuchung, deren Ergebnis dieses Buch ist", so Ben Urwand.

Urwand: "Profit über Prinzipien gestellt"

Hintergrund dieser Zusammenarbeit mit Nazi-Deutschland, gibt sich Urwand überzeugt, sei das Bemühen Hollywoods gewesen, auch den großen deutschen Markt mit Hollywood-Produkten zu bespielen. Geschäft geht vor Moral - so könnte man die These Urwands knapp zusammenfassen: "Wie andere amerikanische Firmen, z.B. IBM oder General Motors, hatten die Studios von Hollywood in ihrer Entscheidung, Geschäftsbeziehungen mit den Nazis zu unterhalten, Profit über Prinzipien gestellt." Urwand kommt zu dem Schluss: Die Studiobosse, "die größtenteils jüdische Immigranten waren", hätten immens viel in Kauf genommen, um an ihrem Engagement in Deutschland festhalten zu können.Urwand stellte sich zu Beginn seiner Recherche auch die Frage: Ist das Bild, das Hollywood von sich selbst über Jahre gezeichnet hat, gerechtfertigt? Wenn nicht, so der Autor, wäre es an der Zeit die "allgemein akzeptierte Vorstellung von Hollywood zu erschüttern, die in Dutzenden von Büchern kolportiert worden war - nämlich, dass Hollywood während seines goldenen Zeitalters so etwas wie ein Synonym für Antifaschismus war."

Ben Urwand - Autor
Ben UrwandBild: Theiss Verlag

Fakt ist hingegen, dass die amerikanische Filmindustrie mit Beginn des Zweiten Weltkriegs begann antifaschistische Filme zu produzieren. Das bestreitet auch Urwand nicht.

Auslöser: "Im Westen nichts Neues"

Ihm geht es um die Zeit davor. Der Autor weist nach, dass sich diese Zusammenarbeit schon vor der Machtergreifung durch die Nazis im Januar 1933 abgezeichnet habe. Der Antikriegsfilm "Im Westen nichts Neues" von Regisseur Lewis Milestone nach dem Roman von Erich Maria Remarque wird hier - das wird im Buch akribisch nacherzählt - zum entscheidenden Wendepunkt.

Die Vorführung des US-Streifens wurde in Deutschland 1930 von nationalistischen Kräften massiv gestört. Die kritische Darstellung der deutschen Soldaten im Film sowie des Krieges überhaupt war rechten Kräften ein Dorn im Auge. "All Quiet on the Western Front" wurde daraufhin verboten und erst mit zahlreichen Schnittauflagen wieder freigegeben. Der aus Deutschland stammende Produzent des Films, Universal-Chef Carl Laemmle (unser Foto oben), selbst jüdischer Emigrant, hatte sich auf die Schnittauflagen eingelassen. Das Geschäft ging vor, so Urwands Fazit.

Deutschland Geschichte Polizeischutz Aufführung Film Im Westen nichts Neues
Die Kinovorführungen von "Im Westen nichts Neues" mussten 1930 geschützt werdenBild: ullstein bild/Archiv Gerstenberg

Der Film "Mad Dog of Europe" wurde nie produziert

Ben Urwand verweist in seinem Buch auf einige Beispiele für die enge Kooperation zwischen deutschen Behörden und US-amerikanischen Filmproduzenten nach 1933. So sei das Filmprojekt "Mad Dog of Europe", das bereits 1933 erstmals die Judenverfolgung in Deutschland zum Thema gemacht hätte, auf Druck der Deutschen niemals produziert worden. Die hatten mit dem Boykott sämtlicher US-Filme gedroht, falls "Mad Dog in Europe" gedreht würde. Auch hätten zahlreiche amerikanische Produktionsfirmen, die in Deutschland bis 1939 große Dependancen mit Hunderten Mitarbeitern betrieben, viele Juden entlassen.

Die Vorwürfe, die Ben Urwand in "Der Pakt" erhebt, erschüttern das Image von einem Hollywood mit antifaschistischer Grundhaltung während der 1930er Jahre. In den USA löste das Buch nach seinem Erscheinen heftige Kritik aus. Vor allem, weil die Thesen Urwands einigen Experten als sehr zugespitzt erschienen. Das ebenfalls in den USA erschienene Buch des Filmwissenschaftlers Thomas Doherty, "Hollywood and Hitler 1933 - 1939" (in Deutschland bisher nicht verlegt), gibt sich weniger angriffslustig.

Doherty: Urwands Thesen "verleumderisch"

Dohertys bezeichnete Urwands Thesen gar als "verleumderisch und historisch ungenau". Im "Hollywood Reporter" warf er dem Buch des Kollegen während der dort aufflammenden Debatte vor, es "beschmutze eine Industrie, die darum kämpfte, Amerika auf die Bedrohung aufmerksam zu machen, die sich in Deutschland zusammenbraute."

Buchcover Ben Urwand Der Pakt
Bild: Theiss

Es sei keine "Geschichte von Kollaboration, sondern eine von Widerstand", so Doherty. Gerade an dem Wort "Kollaboration" entzündeten sich die Gemüter. Der Ausdruck wird vor allem mit der Haltung Frankreichs während der deutschen Besatzung in Zusammenhang gebracht. Doherty: "Den Begriff benutzt man für die Vichy-Regierung." Doch Ben Urwand spricht ganz bewusst von Kollaboration: Dies sei der Ausdruck, der damals auch von den Amerikanern verwendet worden sei, so der australische Forscher.

Die Studiobosse unterwarfen sich einer Selbstzensur

Doherty hingegen sieht die "Zusammenarbeit" zwischen Deutschen und Amerikanern in einem anderen Licht. Damals hätte man die Bedrohung durch die Nazis und die sich anbahnende Vernichtung der Juden in Deutschland nicht absehen können - so lautet ein Argument. Außerdem wären die Amerikaner von sich aus auf die Deutschen zugegangen, indem sie eine Art Selbstzensur durch den sogenannten "Hays Code" (auch: "Production Code", eine Art freiwillige Selbstkontrolle der US-Firmen) betrieben hätten. 

Man kann die Debatte über das Maß an Zusammenarbeit zwischen Hollywood und Nazi-Deutschland während der 1930er Jahre als kulturellen Historikerstreit bezeichnen. Ganz klären wird sich der Konflikt wohl nicht. Es ist auch - wie bei ähnlich gelagerten Debatten - eine Sache der Interpretation. Und der genauen Studie der Quellen.

Ben Urwand: "Der Pakt - Hollywoods Geschäfte mit Hitler", Theiss Verlag in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, 2017, aus dem Englischen von Gisella M. Vorderobermeier, 320 Seiten, ISBN 978-3-8062-3371-1. Thomas Dohertys Buch "Hollywood and Hitler 1933 - 1939" erschien bei "Columbia University Press" und hat 429 Seiten.