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Der Papst rät: "Vergesst nicht zu träumen"

Christoph Strack 22. September 2015

Papst Franziskus rief in Kuba die Menschen zu Engagement für eine bessere Zukunft auf. Mit realpolitischen Bezügen blieb Franziskus ziemlich zurückhaltend. Aus Kuba Christoph Strack.

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Kuba: Papst Franziskus zu Besuch
Bild: Reuters/A. Martinez Casares

Vielleicht bringt dieser Moment in einem kirchlichen Jugendzentrum von Havanna die Botschaft des Papstes auf den Punkt. Da tritt Leonardo ans Mikrofon, Leonardo Manuel Fernández Otano, katholischer Student aus der Hauptstadt. Er will Zeugnis ablegen vom Denken junger Katholiken. Und der 21-Jährige ist mutig. "Was uns eint", sagt er, "ist die Hoffnung auf einen tiefgreifenden Wandel in Kuba, wo unser Land ein Haus ist, dass alle seine Kinder begrüßt, wie sie auch immer denken, wo auch immer sie leben." Da brach kräftiger Applaus los, der Papst sprach dankbar von einem "Zeugnis der Hoffnung". Und in den offiziellen kubanischen Medien kam Leonardo am nächsten Morgen erstmal nicht vor.

"Dass die Welt eine andere wird"

Hoffnung, Zukunft - das sind zwei der Begriffe, die in den Reden des Papstes immer wieder auftauchen. In Havanna, in Holguin, in Santiago. Hoffnung, Zukunft, Uneigennützigkeit und Träumen. "Zum Leben gehört das Träumen, vor allem zum jungen Leben", ermutigte der Papst die Jugendlichen. "Träumt davon, dass die Welt durch euch eine andere wird. Vergesst nicht zu träumen."

Das ist durchaus politisch, wenn man an fast jeder Ecke sieht, dass das Leben in Kuba alles andere als ein Traum ist. Roberto, 46 Jahre alt, kam zu Franziskus auf den "Platz der Revolution" in Havanna wie zu Johannes Paul II. in 1998 und Benedikt 2012. Er sei "nicht katholisch", sei Atheist, sagt er. "Ich glaube nicht an Gott, aber an Papst Franziskus glaube ich." Der Papst sei immer an der Seite der armen Menschen, der Ausgegrenzten. Und Franziskus arbeite auch daran, dass es allen Kubanern besser gehe. Und: Dass es auch mehr Freiheit gebe zwischen Kuba und den USA. Wie so viele andere hofft Roberto, dass das Embargo Washingtons gegen Kuba bald fallen wird.

Freiheit und Opfer

Anders als seine beiden Vorgänger verwendet Franziskus den Begriff "Freiheit" auf Kuba selten. Er ermutigt die kubanische Kirche, den Menschen Nähe zu bieten, "volksnahe Hirten" zu sein. Und er wisse, "unter wieviel Anstrengungen und Opfer die Kirche in Kuba arbeitet". Das kann den dauernden Flirt vieler auch katholischer Insel-Bewohner mit dem naturreligiösen Santeria-Kult meinen. Denn: Das Kind kirchlich taufen zu lassen, ist in Kuba eine Sache. Sonntags dann in den katholischen Gottesdienst zu gehen statt zu einer mystagogischen Feier, das ist etwas anderes. Aber die "Anstrengungen und Opfer" können eben auch dem System geschuldet sein.

Und Havanna bleibt ein System der Kontrolle. Gerade beim größten Gottesdienst auf dem Revolutionsplatz in der Stadt bemühen sich Kräfte, die Medienvertreter in eng begrenzten Bereichen in Schach zu halten. Dennoch bekommen es einige Fotografen noch mit, wie zwei oder drei Demonstranten ganz in der Nähe des heranrollenden Papamobils zu Boden gerissen und festgesetzt werden. Aber ob es regimekritische Dissidenten sind oder, wie ein Sicherheitsbeamter rasch sagt, Aktivisten, die den Papst kritisch als Kommunisten beschimpfen wollen, bleibt offen.

"Ich bin verhaftet"

Dass es Festnahmen gab bei diesem Papstbesuch, erlebte Dario Menor Torres, spanischsprachiger Kollege der Deutschen Welle, am Telefon mit. "Ich hörte nur die Worte: 'Ich bin verhaftet, ich bin verhaftet'", sagt er. Dario hatte Martha Beatrice Roque angerufen, eine der prominenteren Regimekritikerinnen des Landes. Danach wählte er, wie er erzählt, noch oft ihre Nummer - vergeblich.

Berta Soler könnte mehr berichten. Sie ist eine der "Frauen in Weiß", die Freiheiten fordern und vom Staat schikaniert werden. Soler schildert der Deutschen Welle, sie sei von der Nuntiatur, der Botschaft des Papstes in Havanna, zu einer Begegnung mit Franziskus eingeladen und auf dem Weg zum Treffen aber festgesetzt worden. Und fünf Stunden lang habe man sie und andere Frauen dann festgehalten, eingeschüchtert und beleidigt, als sie zur großen Messe mit dem Papst habe gehen wollen. Sie zweifele, dass dieser Papstbesuch irgendeine Veränderung bringe und werde weiter für Freiheit und Pluralismus arbeiten.

Der Vatikansprecher spielt es herunter

Merkwürdig wirkt es, wie Vatikansprecher Federico Lombardi diese Zwischenfälle herunterzuspielen versucht. Das seien doch keine offiziellen Einladungen im Programm des Papstes gewesen. Dabei ist klar: Da kommt Franziskus, der durch sensationelle Vermittlungsarbeit im vorigen Jahr die Eiszeit zwischen den USA und Kuba beendet hat - und das Regime der Castros gibt sich so nervös wie selten. Ist ein Papst, der mit seiner spanischen Sprache die Herzen der Menschen erreicht, um so gefährlicher? Niemand weiß, was Franziskus und Kubas Präsident Raúl Castro einander gesagt haben bei ihrem Treffen. Hoffentlich nicht nur Nettigkeiten.

Und doch bleiben die Stimmen der Kirche, die Zuversicht zeigen, die vielleicht auch träumen. "Die Menschen sind doch dankbar und enthusiastisch für das, was Franziskus für ihr Land getan hat", sagt Hosvany Carbajal, der Pfarrer der Kathedrale von Havanna. Ihm passen die prophetischen, vielleicht politisch subtilen Worte seines obersten Chefs durchaus. Selbst Offizielle aus dem Erziehungswesen hätten ihn schon zum Vortrag über das Denken des Papstes eingeladen. So wachse nun "der Einfluss der katholischen Kirche auf gesellschaftliche Entwicklungen". Carbajal hofft, dass dazu auch mehr Freiheiten für die Kirche im Bildungsbereich gehören wird. Denn Aberglaube und Mischformen seien auch religiöser Unkenntnis geschuldet. Ermutigt vom Papstbesuch sagt der Pfarrer: "Jeder im Land braucht volle Religionsfreiheit. Das meint nicht nur Freiheit des Gottesdienstes. Religionsfreiheit meint auch Engagement im Bildungsbereich und in den Medien." Am Montagabend - das könnte dazu passen - kündigten Kubas Bischöfe den Bau von drei neuen Gotteshäusern an. Das wären die ersten Kirchenbauten seit der Revolution von 1959.

Kuba: Papst Franziskus zu Besuch
Der Papst sucht die Nähe der Kinder auf KubaBild: Reuters/A. Martinez Casares

Auf zu Obama

Am Dienstag abend reist Franziskus nach Washington weiter. Dort wird am Flughafen - seltene Geste eines US-Präsidenten - Barack Obama stehen und den Gast empfangen. Beide kennen einander aus Rom. Dass Obama am vergangenen Donnerstag, bevor Franziskus aus Rom aufbrach, noch mal länger mit Raúl Castro in Havanna telefonierte, gehört zu den wunderbaren Randgeschichten dieser langen päpstlichen Reise. Die Geschichte zwischen Washington und Havanna und dem Vatikan geht weiter, zu Ende geschrieben ist sie noch nicht. Der Papst hat sie in diesen Tagen durch ein paar Ermutigungen zum Träumen bereichert.