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Der Papst in Thüringen

20. September 2011

Während seines Deutschlandbesuchs wird Papst Benedikt XVI. auch im Bistum Erfurt sein. Für viele Beobachter sind die 25 Stunden in Thüringen wegen einer ganz besonderen Begegnung der eigentliche Schwerpunkt der Reise.

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Erfurt: Blick auf Mariendom (links) und Severi-Kirche auf dem Domberg (Foto: AP)
Der Mariendom und die Severi-Kirche in ErfurtBild: AP

Nach 1512 hätte sich vermutlich kein Papst ins Kernland der Reformation gewagt. Eines hatte der vormals katholische Mönch Martin Luther damals mit der Reformation dort erreicht – er hatte den Menschen seiner Zeit die Freiheit des Evangeliums nahe gebracht. Aus seiner Sicht beseitigte er jenen unnötigen theologischen und traditionellen Ballast, der den Blick auf den Kern des Glaubens verstellte. Den Papst bezeichnete Luther damals sogar als Antichrist.

Wie sich die Zeiten doch ändern, denn am 23. und 24. September kommt Benedikt XVI. nach Thüringen. Allerdings trifft der deutsche Papst auf andere Bedingungen, als es sie im 16. Jahrhundert gab.

Andere Zeiten

Erfurt: Blick vom Bischöflichen Ordinariat zum Mariendom (Foto: DW)
Blick vom Bischöflichen Ordinariat zum MariendomBild: DW

Mit dem christlichen Glauben haben die Menschen in den neuen Bundesländern immer weniger zu tun. Grund: eine massive Entkirchlichung. Vor allem 40 Jahre kommunistische und zwölf Jahre nationalsozialistische Ideologie haben diesbezüglich deutliche Spuren hinterlassen. Nur etwa jeder vierte Ostdeutsche gehört noch einer Kirche an. Die Prozentzahl der Katholiken in Thüringen liegt im einstelligen Bereich. Angesichts dessen ist dem Erfurter Bischof Joachim Wanke klar, "dass ein Papstbesuch hier nichts Entscheidendes ändern kann. Es ist ohne Zweifel ins Bewusstsein getreten, dass das ein einmaliges Ereignis ist, das sich so schnell nicht wiederholen wird. Ein Papstbesuch wird wohl in einigen hundert Jahren nicht wieder vorkommen. Insofern ist es eine Erwartung, die durch Neugier gezeichnet ist."

Desinteresse und Kirchenferne

Allerdings wohl nur bei einer Minderheit. Kaum ein Passant wollte sich bei einer Umfrage auf dem Erfurter Domplatz zum Papstbesuch äußern. Einige taten es im Tenor jenes älteren Herrn, der sagte: "Wegen mir muss er nicht kommen, ich brauch ihn nicht, ich habe auch nichts davon."

Joachim Wanke, seit 1994 Bischof des römisch-katholischen Bistums Erfurt(Foto: DW)
Bischof Joachim WankeBild: DW

Angesichts der immer wieder greifbaren Kirchenferne, so Bischof Joachim Wanke, müsse man die christliche Botschaft im Bistum Erfurt auf Mitteldeutsch buchstabieren, will heißen, in den Alltag der Menschen übersetzen. Er verwendet dabei das Bild eines barocken Spiegelsaals. "Wenn man alles schließt, Türen und Fenster, dann sieht man nur sich selbst. Das ist für mich ein Bild, dass man in der heutigen Zeit oft gar nicht mehr erahnt, dass hinter den Spiegeln, die unsere Wirklichkeit dauernd wiedergeben, ein anderer Horizont sein könnte." Es gelte Fenster und Türen zu öffnen zum Gotteshorizont. "Das sehe ich als die wesentliche Aufgabe von kirchlicher Verkündigung an." Dazu könne der Besuch von Benedikt XVI. neu motivieren.

Gläubige in Heerscharen erwartet

Erfurt: Blick von der Treppe des Domberges auf Domplatz und Altstadt(Foto: DW)
Der Erfurter DomplatzBild: DW

Trotz der Zurückhaltung der Erfurter - der Platz vor Mariendom und Severi-Kirche wird am 24. September brechend voll sein, wenn der Pontifex dort die Eucharistie feiert. 30 000 Gläubige werden erwartet. Deutlich mehr könnten es bereits am Tag zuvor in Etzelsbach sein. Dort, im Eichsfeld, feiert der Papst eine Marianische Vesper, ein liturgisches Abendgebet zur Verehrung der Heiligen Maria. Vielleicht eine Anerkennung für die Glaubenstreue der Eichsfelder während der DDR-Zeit. Diese einzige katholische Enklave in den östlichen Bundesländern fiebert dem Besuch geradezu entgegen.

Für viele Höhepunkt der Reise

Erfurt: Luther-Denkmal vor der Kaufmannskirche(Foto: DW)
AugustinerklosterBild: DW

Das ökumenische Highlight dieses Deutschlandbesuchs wird allerdings in der Landeshauptstadt Erfurt stattfinden – ein Spitzengespräch mit Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland. Bischof Wanke, der zur Ökumene keine Alternative sieht, dämpft in dieser Frage allerdings übertriebene Erwartungen an den Papst. "Man kann nicht erwarten, dass er wie ein Deus ex machina sozusagen von oben herabschwebt und Wunderdinge vollbringt. Er steht in der kirchlich-katholischen Tradition." Allerdings habe Benedikt bereits Akzente gesetzt, indem er darauf bestand, mit den Repräsentanten der von Martin Luther begründeten Konfession einen Wortgottesdienst zu feiern.

Vielleicht ein wenig Schadensbegrenzung. Denn zwei Mal hatten Vatikanpapiere seit dem Jahr 2000 den Kirchen der Reformation attestiert, keine vollwertigen Kirchen im Sinne der römisch-katholischen zu sein.

Magie eines Ortes

Die Luther-Zelle im Augustinerkloster (Foto: DW)
Luther-Zelle im AugustinerklosterBild: DW

Der Ort des Treffens ist historisch bedeutsam – das heute evangelische Augustinerkloster, in dem Martin Luther von 1505 bis 1511 lebte und studierte. Hier reiften die ersten reformatorischen Erkenntnisse des jungen Mönchs, die schließlich zur Kirchenspaltung führten. Darin komme auch die Wertschätzung der Gesprächspartner zum Ausdruck, so Bischof Joachim Wanke. "Ich denke schon, dass wir in diesem Sinne auch geistlich aufeinander zugehen. Und es freut mich, dass man nicht nur miteinander spricht – EKD und Heiliger Stuhl, sondern dass man auch miteinander betet. Das könnte eine echte Ermutigung sein, im Gebet für die Einheit der Christenheit nicht nachzulassen."

Autor: Klaus Krämer
Redaktion: Christina Beyert