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Der Papst, MTV und die Lehren aus dem Mohammed-Streit

14. April 2006

Die Proteste gegen die geplante Ausstrahlung der Satire "Popetown" im Sender MTV werden lange vor der Ausstrahlung immer schärfer. Es geht um Vorwürfe, die seit der Debatte um die Mohammed-Karikaturen vertraut klingen.

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Blasphemisch? Witzig?Bild: BBC

In der englischen Zeichentrick-Serie geht es um einen manischen Papst, der auf einem Springstock durch den Vatikan hüpft und von einer mediengierigen Ordensfrau, einem trotteligen Bürochef sowie einer Gruppe hinterhältiger und korrupter Kardinäle umgeben ist. Die britische BBC, der ursprüngliche Auftraggeber, hatte bereits 2004 nach Protesten auf die Ausstrahlung verzichtet.

Anzeige zurückgezogen

Die scharfen Proteste dagegen hatten sich vor allem an einer Anzeigenkampagne entzündet. Darin sitzt eine Jesusfigur unter einem leeren Kreuz vor einem Fernseher. Die Überschrift lautet "Lachen statt rumhängen". MTV hatte die Anzeigen zurückgezogen, nachdem sich der Deutsche Werberat eingeschaltet hatte.

Popetown, neue Serie auf MTV
Bild: BBC

MTV will die Serie "Popetown" aber wie geplant ab 3. Mai ausstrahlen. Zwar polarisiere die Serie das Publikum und spreche nicht jeden Zuschauer an, "jedoch kommt es weder zu Verunglimpfungen noch zu Beleidigungen von Glaubensrichtungen", erklärte ein MTV-Sprecher am Donnerstag. Das Format sei es "als Form satirischer Unterhaltung und somit als Kunstform zu verstehen". Es würden für Satire übliche Stilmittel wie Verfremdung, Überspitzung und Parodie verwendet.

Laut MTV wird derzeit an der deutschen Synchronisation der Folgen gearbeitet. Sobald diese vorlägen, würden sie der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) vorgelegt. Der Sender rechne mit einer Freigabe der Show für das Tagesprogramm. Die FSF, an der auch kirchliche Vertreter beteiligt sind, habe bereits eine der von MTV eingereichten englischsprachigen Episoden für das Tagesprogramm freigegeben.

Stoiber: "Übler Angriff"

Die Proteste von konservativen Politikern und katholischer Kirche gegen die vom Sender MTV geplante Satire reißen jedoch nicht ab. CSU-Chef Edmund Stoiber sprach von einem "üblen Angriff auf viele Menschen unter dem Deckmantel der Satire". Stoiber argumentiert, dass die Deutschen in einer "falsch verstandenen Liberalität" viel zu großzügig gewesen seien, wenn etwa "das Kreuz provokant in den Dreck gezogen wurde". Moslems hielten Christen auch deshalb für Ungläubige, weil wir unseren Glauben nicht ausreichend leben und verteidigen".

Popetown
Wie viel Satire ist erlaubt?Bild: BBC

Der Bischof von Fulda, Heinz Josef Algermissen, rief indirekt Werbekunden zu einem Boykott von MTV auf. Algermissen verurteilte die Haltung des Senders. Dass MTV die Serie nicht absetze, zeige nur zu deutlich, dass die Verantwortlichen "keinerlei Respekt vor Religion und Glauben" hättenen. "Jene Firmen, die MTV finanziell unterstützen, sind schlecht beraten, wenn sie es zulassen, weiterhin als Sponsoren der Verunglimpfung des christlichen Glaubens betrachtet zu werden", hieß es in einer in Fulda verbreiteten Erklärung. Es gehe MTV "offensichtlich einzig und allein um reißerische Provokation und Geschäftemacherei auf niedrigstem Niveau", erklärte der Bischof.

Die katholische Deutsche Bischofskonferenz, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und zahlreiche kirchliche Verbände äußerten ebenfalls scharfe Kritik an der geplanten Ausstrahlung der Serie. Auch die Dachverbände der Juden und Muslime in Deutschland kritisierten die Cartoon-Serie als "geschmacklos".

"Beim Mohammed-Streit auf Pressefreiheit berufen"

Dagegen kritisierten die Jungen Liberalen die Proteste. Ihr Vorsitzender Johannes Vogel erklärte in Bonn, es sei höchst unwahrscheinlich, dass die Kritiker die Sendung schon gesehen haben. "Ich hielte es für ratsam, wenn man sich ein Urteil erst dann bildet, wenn man weiß, worüber man spricht", betonte Vogel. Zudem sei es bemerkenswert, dass jetzt einige laut nach einem Verbot riefen, weil religiöse Gefühle verletzt werden könnten. "Noch vor wenigen Monaten wurde von allen Beteiligten zu Recht auf die Pressefreiheit verwiesen, als es um die Mohammed-Karikaturen ging." Wenn man von Muslimen Respekt vor der Pressefreiheit einfordere, müsse man dies auch gewähren, wenn es um die christliche Religion gehe. Eine Auslegung der Pressefreiheit "mit zweierlei religiösem Maß" sei inakzeptabel. (sams)